Reinhard Heydrich – Holocaust & Attentat

Holocaust

Heydrich ging es in dieser Zeit mehr darum, jüdische Mitbürger aus dem Reich ins Ausland zu vertreiben. 1938 gründete der SD zu diesem Zweck in Wien eine Auswanderungszentrale. Leiter war Adolf Eichmann. Im Januar 1939 folgte eine weitere Auswanderungszentrale in Berlin. Doch diese Einrichtungen waren wohl mehr ein Deckmantel für die eigentlichen Pläne der Nationalsozialisten – dem Holocaust

Der SD und die Gestapo spielten eine entscheidende Rolle bei dem so genannten “polnischen Überfall” auf den Sender Gleiwitz. Ermordete KZ-Häftlinge wurden der Welt als polnische Soldaten präsentiert. Der SD folgte wie die SS der in Polen einmarschierenden Deutschen Wehrmacht.

Unmittelbar nach Kriegsbeginn baute Heydrich seine Macht weiter aus. Am 27. September 1939 wurde das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) gebildet. Gestapo, Sicherheitspolizei (Sipo) und SS-Sicherheitshauptamt gehörten jetzt zusammen. Die erste Aufgabe des RSHA war die Deportierung Zehntausender Juden und Polen in das neu gebildete Generalgouvernement.

Hinter der vordringenden Wehrmacht folgten die Einsatzgruppen der SS. Heydrich und Himmler hatten ihre Pläne, die Juden aus Deutschland ins Ausland zu vertreiben, aufgegeben. Es bleibt die Frage, ob das überhaupt jemals erwogen wurde.

Deutschland stand für Heydrich in einem “Weltanschauungskrieg”, der nur durch die Vernichtung der Juden und Kommunisten beendet werden konnte. Vier Einsatzgruppen der SS begannen mit dem Morden in Polen.

Der Einmarsch in die Sowjetunion erfolgte nach dem gleichen Muster. Die Wehrmacht eilte von Sieg zu Sieg, und die Verbände der SS und des SD folgten. Heydrich gab Befehle, dass Juden, Kommunisten, Politkommissare und Partisanen zu liquidieren seien. Zehntausende fielen dem Morden zum Opfer. Genaue Zahlen sind kaum zu schätzen. Über 500 000 Opfer werden von Historikern als wahrscheinlich für diesen Zeitraum angenommen.

Die Menschen wurden erschossen und in Massengräbern verscharrt. An den Erschießungen waren Angehörige der Waffen-SS, Polizei-Einheiten und Abteilungen der Wehrmacht beteiligt. Die Beteilung von Wehrmachtangehörigen wurde noch lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von vielen deutschen Historikern und Politikern angezweifelt. Doch es fanden sich zahlreiche Beweise, die das Gegenteil bewiesen.

Die SS beschränkte sich bald nicht mehr auf das Erschießen. Neue Mordmethoden wurden entwickelt, die noch mehr Opfer fordern sollten. 1941 testete man im KZ Sachsenhausen den ersten Vergasungs-LKW. Die Gefangenen wurden in den Kastenraum des LKW eingesperrt, und die Abgase des Wagens wurden in den Raum geleitet. Die Menschen starben dabei an Kohlenmonoxyd-Vergiftungen. Fast gleichzeitig entstanden die ersten Gaskammern in den Konzentrationslagern.

Eine weitere Begründung für neue Tötungstechniken war besonders zynisch. Himmler und Heydrich machten sich Sorgen um ihre Henker, die die nervliche Belastung des Mordens nicht aushielten!

Heydrich überwachte über das RSHA die Massaker in den eroberten Gebieten Polens und Russlands und trieb seine Einsatzkommandos an, noch mehr Menschen zu ermorden. Am 26. März 1941 legte Reinhard Heydrich einen ersten Entwurf zur “Endlösung der Judenfrage” vor. Ziel: die Ermordung aller europäischen Juden. Am 15. Oktober 1941 begannen die organisierten Deportationen aus Deutschland in die Ghettos und Lager in Polen. Heydrich hatte in den vergangenen Jahren immer wieder auf eine Lösung der so genannten “Judenfrage” gedrängt.

Heydrich erhielt von Hermann Göring den Auftrag die Endlösung der Judenfrage auszuführen. Heydrich leitete daher am 20.1.1942 die Wannsee-Konferenz, auf der die Methoden festgelegt wurden, die zur Ermordung von Millionen Juden führten. SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann legte während der Konferenz ein Konzept für die Ermordung der Juden vor.

Attentat und Lidice

Foto: Lidice nach der Zerstörung. Quelle: Bundesarchiv; Signatur: Bild 146-1993-020-26AAm 24. September 1941 wurde Heydrich von Hitler zum Stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren ernannt. Heydrich sah sich am Ziel seiner Bemühungen. Er betrachtete sich jetzt als Staatsmann und nutzte intensiv die jetzt möglichen direkten Kontakte zu Hitler.

Heydrich gab sich in der ehemaligen Tschechoslowakei zunächst “moderat.” Die tschechische Bevölkerung sollte ruhig gehalten werden, weil man sie in der deutschen Rüstungsindustrie benötigte. Trotzdem ließ er den tschechischen Ministerpräsidenten Elias verhaften, der Kontakte zur tschechischen Exilregierung in London unterhalten hatte. In einem Schauprozess ließ Heydrich den Ministerpräsidenten zum Tod verurteilen. Elias äußerte sich nach seiner Verurteilung in einer öffentlichen Erklärung lobend über die Behandlung durch die Gestapo. Diese Erklärung hatte Heydrich durch eine Drohung erzwungen. Hätte Elias sich geweigert, wollte die SS 20 000 Tschechen liquidieren. Obwohl Heydrich auf die Hinrichtung Elias drängte, fand er dafür keine Zustimmung bei Hitler.

Heydrichs Politik in der Tschechoslowakei bestand aus dem Prinzip “Zuckerbrot und Peitsche”. Die arbeitende Bevölkerung wurde gut mit Lebensmitteln versorgt. Politische Gegner hingegen verschwanden in den Gefängnissen der Gestapo. Tausende Juden wurden in das KZ Theresienstadt deportiert.

Auch die Tschechen sollten vernichtet werden, so Heydrich in einer geheimen Rede. Es sollten nur diejenigen Tschechen überleben, die in den Augen der Deutschen als “gutrassig” betrachtet wurden.

Heydrich, der dafür verantwortlich war, dass unzählige Menschen vom SD und der SS umgebracht wurden, hatte keine Bedenken, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Heydrich bewegte sich ohne Zögern zwischen Menschenansammlungen und fuhr im ungepanzerten Auto durch Prag. Er war der festen Überzeugung, dass ein großer Teil der Tschechen ihn respektierte.

Diese Sorglosigkeit nutzte die tschechische Exilregierung in London aus. Zwei tschechische Fallschirmjäger wurden nach Prag eingeschleust, um Heydrich zu töten. Am 27. Mai 1942 überfielen die beiden Soldaten Heydrich, der mit seinem Kabrio unterwegs war. Der Anschlag misslang. Heydrich wurde durch Bombensplitter schwer verletzt.

Wenige Tage später starb Heydrich an den Folgen des Attentats und einer Wundinfektion am 4. Juni 1942. Der Leichnam Heydrichs wurde im Prager Hradschin aufgebahrt. Unter den Trauernden, die am Sarg vorbei defilierten waren auch viele Tschechen. Der Sarg wurde anschließend nach Berlin in die Neue Reichskanzlei überführt. Mit einer bombastischen Trauerfeier gedachte die NS-Führung des toten Heydrich.

Hitler erwog als Rache-Maßnahme zehntausend Tschechen hinrichten zu lassen. Doch Himmler war zunächst dagegen. Er ließ zehntausend Tschechen als Geiseln nehmen. Einhundert Geiseln wurden sofort hingerichtet. Unter den Opfern war der bereits früher zum Tod verurteilte ehemalige Ministerpräsident Elias.

Merkwürdigerweise wollten die Deutschen die Weltöffentlichkeit zunächst nicht durch Massenerschießungen provozieren.

Der Leiter der Sipo in Prag, Horst Böhme, hatte Bürger aus dem Ort Lidice im Verdacht, Agenten der tschechischen Exilregierung zu verstecken. Die Familienangehörigen zweier Offiziere, die nach London geflohen waren, wurden von der Sipo hingerichtet. Obwohl Einwohner von Lidice nicht am Attentat auf Heydrich beteiligt waren, befahl Hitler am 9. Juni 1942 die Bewohner Lidices als Strafaktion zu liquidieren bzw. zu deportieren.

184 Männer wurden erschossen, 198 Frauen wurden ins KZ Ravensbrück deportiert und 105 Kinder nach Lodz. Der Ort Lidice wurde zerstört. Fingierte Beweise wurden in der deutschen Presse gezeigt, um die Mittäterschaft der Menschen in Lidice zu beweisen.

Eine weitere Vergeltungsaktion traf das Dorf Lezaky. Ein entdeckter Agentensender im Ort diente als Vorwand für die Liquidierung der Einwohner. 33 Menschen wurden ermordet.

Die tschechischen Fallschirmjäger hatten nach ihrem Attentat auf Heydrich Zuflucht in der Prager Kirche der Heiligen Cyrill und Methodius gefunden. Am 18. Juni 1942 griffen SS-Einheiten die Kirche an, nachdem das Versteck der Attentäter verraten worden war. Die beiden Attentäter und mehrerer ihrer Kameraden fielen im Kampf um die Kirche.

Tausende Tschechen verloren in den nächsten Wochen durch die SS ihr Leben. Die kurz nach dem Attentat vorhandene “Hemmung” Himmlers war gefallen. Die Tschechen nannten später diese blutigen Wochen “Die Heydrichiade”.

Die Auslöschung Lidices sollte eine große politische Reaktion in der Weltöffentlichkeit entfachen. Das Schicksal Lidices förderte den Widerstand gegen das Dritte Reich. Künstler und Literaten nahmen sich des Geschehens an. Die bereits zu dieser Zeit bekannten Massaker der Deutschen in Polen und Russland waren von der Weltöffentlichkeit nicht so aufmerksam beachtet worden.

Die Attentäter

Als Heydrich am 27. September 1941 sein Amt antrat, verkündete er einen Tag später das Standrecht. Sein Vorgänger Freiherr Konstantin von Neurath hatte aus gesundheitlichen Gründen um seine Beurlaubung gebeten. Hitler nahm diesen Antrag an, weil Neurath in der Tschechoslowakei den erstarkenden Widerstand der Bevölkerung nicht eindämmen konnte.

Die Tschechen leisteten auch passiven Widerstand. Im September 1941 boykottierten sie die Zeitungen im Land. Streiks flammten in den Städten, auf und Partisanen kämpften gegen die deutschen Besatzer. In dieser, für die Deutschen bedrohlicher werdenden Lage erschien Hitler Reinhard Heydrich als der Richtige, um die Situation zu entschärfen.

Die Vertreter der tschechischen Exilregierung in London informierten die Engländer über die anwachsende Widerstandsbewegung in ihrer Heimat. Die Industrieproduktion sei um dreißig Prozent gesunken und die tschechischen Widerständler behinderten die deutschen Nachschubtransporte durch das Reichsprotektorat.

Bei den Briten war zu dieser Zeit der SOE ( Special Operations Executive) zuständig für Geheimaktionen auf dem Kontinent. Leiter der Einheit war Brigadegeneral Colin McVean Gubbins, der den Kontakt zum Nachrichtendienst der Exiltschechen hielt.

In Zusammenarbeit mit der SOE wurden tschechische Fallschirmjäger ab Mai 1941 für ihren Einsatz hinter der Front ausgebildet. Ein Ziel der Ausbildung war ein Attentat auf Reinhard Heydrich. Die späteren Attentäter Josef Gabcik und Jan Kubis nahmen an den Vorbereitungen ab Oktober 1941 teil.

Die Vorbereitungen erfolgten unter strenger Geheimhaltung. Der Präsident der tschechischen Exilregierung Benes war über das Attentat informiert. Mit einem Anschlag auf Heydrich sollte die internationale Öffentlichkeit auf die Lage der Tschechen hingewiesen werden. Dass die zu erwartenden Repressalien der Deutschen vielen Tschechen den Tod bringen würde, wurde von der Exilregierung in Kauf genommen. Andererseits hoffte man auf die Stärkung des tschechischen Widerstands. Nach dem Krieg behauptete Benes aber, dass er nicht vorab über das Attentat informiert worden war.

Am 29. Dezember 1941 transportierte ein Flugzeug der britischen Luftwaffe die tschechischen Fallschirmspringer in die Tschechoslowakei, wo sie in der folgenden Nacht absprangen. Die Gestapo nahm wenig später die Suche nach den Fallschirmjägern auf. Mehrere tschechische Agenten kamen dabei ums Leben.

Gabcik und Kubis erreichten schließlich Prag. Über den genauen Hergang des Attentats eixistieren verschiedene Berichte. Sicher ist, dass Kubis eine Bombe in Heydrichs Auto warf, die den Protektor schwer verletzte. Die Maschinenpistole Gabciks hatte eine Ladehemmung. Ein dritter Attentäter, Valcik, der ein Signal gegeben hatte, wurde wie Kubis verletzt. Der Fahrer Heydrichs verfolgte Gabcik. Der Attentäter schoss auf den Fahrer und verletzte ihn.

Über die Flucht der Attentäter wurden ebenfalls verschiedene Berichte in den nächsten Jahren verbreitet. Hitler ernannte K. H. Frank zum vorläufigen Reichsprotektor. Frank verkündete sofort das Standrecht und den Ausnahmezustand. Einheiten der Sicherheitspolizei, der Waffen-SS und der Protektoratspolizei nahmen während einer ersten Razzia über 500 Personen fest. Hinweise auf die Attentäter fanden sich aber nicht. Die Nachforschungen der Deutschen verliefen drei Wochen lang ohne Ergebnis.

Am 16. Juni 1942 meldete sich Karel Curda bei der deutschen Sonderkommission. Curda war ein Fallschirmjäger, der mit anderen Agenten über der Tschechoslowakei abgesprungen war. Seine Kenntisse über seine Kameraden führten die Deutschen auf die Spur von Kubis und Gabcik, die den deutschen Ermittlern bis dahin vollkommen unbekannt gewesen waren.

Bei den weiteren Ermittlungen fanden die Deutschen das Versteck der Agenten in der Cyrillus – und – Methodius-Kirche (damals Kirche Karl Barromäus genannt). Am 18. Juni 1942 drangen SS-Einheiten gegen die Kirche vor.

Curda wurde für seinen Verrat von der Protektoratsführung fürstlich entlohnt und erhielt eine neue Identidät – Karl Jerhot. 1947 wurde ihm der Prozess gemacht, und ein tschechisches Gericht verurteilte ihn zum Tod durch den Strang.

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