Übersetzung des Artikels Utilizing Exceptional Learners ©2014 WebAIM
Es liegt in der Natur von Weiterbildungsseminaren, dass diese von Teilnehmenden mit den verschiedensten Hintergründen besucht werden, die sich hinsichtlich Begabungen und Erfahrung deutlich unterscheiden können. Manche Teilnehmenden sind vielleicht offen und direkt, während andere eher zurückgezogen sind. Einige haben wahrscheinlich schon Erfahrungen im Erstellen barrierefreier Internetangebote, andere wiederum haben noch nie davon gehört. Außerdem ist das technische Verständnis der Teilnehmenden nicht einheitlich. In Ihrem Seminar können Profi-Entwickler, die in Texteditoren programmieren, und Webmaster, die nicht wissen, was HTML bedeutet, Seite an Seite sitzen. Deshalb sollten Sie sich einen Überblick darüber verschaffen, was die Teilnehmenden Ihres Seminars wissen und können. Diese Fähigkeiten und Begabungen sollten Sie dann gezielt nutzen.
Anbieter von Weiterbildungsseminaren für die Erstellung barrierefreier Internetinhalte müssen flexibel sein. Zu Anfang mache ich meistens eine Bemerkung über die Arbeit „im Land der eckigen Klammern“. Anhand der Reaktion der Teilnehmenden merke ich dann, wie gut sie sich mit Technik auskennen. Das „Land der eckigen Klammern“ ist eine Anspielung auf die eckigen Klammern < und >, auf denen HTML-Codes aufgebaut sind.
Außerdem ist es sinnvoll, Fragen zu stellen, um herauszufinden, wofür sich die Teilnehmenden interessieren und was sie von Ihrem Seminar erwarten und lernen möchten. Diesen Ansprüchen müssen Sie dann gerecht werden.
Sie sollten sich so gut mit dem Inhalt auskennen, dass Sie flexibel auf die Bedürfnisse Ihrer Zuhörer eingehen können. Manchmal sind alle Seminarteilnehmenden sehr technisch versiert, dann brauchen Sie nicht ausführlich auf die Grundprinzipien des barrierefreien Webseitenzugriffs einzugehen. Stattdessen können Sie sich direkt auf die gewünschten Informationen konzentrieren.
Andere Gruppen wiederum kennen sich möglicherweise weniger gut mit Technik oder HTML aus. Eine solche Gruppe kann uns Technik-Freaks ganz allgemeine Einblicke und Ideen ermöglichen, auf die wir sonst gar nicht kommen würden. Wenn Sie sie jedoch mit eckigen Klammern bombardieren, schlafen sie wahrscheinlich ein oder brechen die Weiterbildung ab.
Schließlich sollten Sie die fortgeschrittenen Teilnehmenden so in Ihre Weiterbildung einbeziehen, dass sie sie aktiv mitgestalten. Bitten Sie sie ruhig, anderen Teilnehmenden zu helfen. Wenn sie Erfahrungen mit barrierefreien Inhalten haben, bitten Sie sie, etwas darüber zu erzählen. Nicht selten sind es gerade jene fortgeschrittenen Teilnehmenden, die ihre Erfahrung mit den anderen teilen und es ihnen so ermöglichen, effektiver zu lernen und das Gelernte umzusetzen, insbesondere nach Abschluss Ihrer Weiterbildung.
Ist Ihr Weiterbildungsseminar barrierefrei?
Es war für mich als Anbieter von Weiterbildungsseminaren für barrierefreie Webinhalte eine äußerst unangenehme Situation: Mein Vortrag war einer blinden Teilnehmenden nur sehr begrenzt zugänglich. Ich hatte mir über die barrierefreie Teilnahme an der Weiterbildung einfach keine Gedanken gemacht. Mit einem Mal wurde bewusst, wie ungeeignet meine Methoden und meine Vortragsweise waren, um dieser Teilnehmerin die Weiterbildung verständlich zu machen und ihr eine aktive Teilnahme zu ermöglichen. Deshalb möchte ich Ihnen einige wichtige Punkte an die Hand geben:
- Falls Sie mit Handouts oder anderen Visualisierungshilfen arbeiten, achten Sie darauf, dass Sie auch barrierefreie Versionen haben, z.B. eine elektronische Version aller Handouts auf einer CD oder im Internet, oder in Brailleschrift und sehr großen Schriftarten.
- Sind Hilfsmittel und Dienste verfügbar? Sie haben vielleicht keinen Einfluss darauf, wo und in welcher Art von Räumlichkeiten Ihr Seminar stattfinden, aber wenn möglich, stellen Sie bitte sicher, dass Hilfsmittel verfügbar sind. Dazu gehören z.B. Vorlese-Anwendungen, Bildschirmlupen, geeignete Hardware sowie Dolmetsch- oder Untertitel-Dienste.
- Sind die Internetseiten, die Sie verwenden oder zeigen möchten, barrierefrei zugänglich? Das ist nicht immer der Fall. Einerseits verwende ich selbst nicht-barrierefreie Webseiten oft, um zu zeigen, wie wichtig barrierefreier Zugang ist und wie man es nicht tun sollte. Eine Liste nicht-barrierefreier Interseiten sollte man daher stets dabei haben. Andererseits sollten Sie unbedingt darauf achten, möglichst zugängliche Seiten in Ihrer eigentlichen Präsentation zu verwenden.
- Ist Ihr Vortrag barrierefrei? Wenn Sie PowerPoint oder eine andere Präsentationssoftware verwenden, stellen Sie bitte auch Audiobeschreibungen der angezeigten Inhalte zur Verfügung. Der Satz: „Wie Sie auf dem Bildschirm sehen können…“, trifft eben nicht auf alle Teilnehmenden zu. Wenn Sie Software benutzen, erklären Sie bitte mit Worten, was Sie gerade zeigen und beschreiben Sie die Funktion von Vorgehensschritten, die nicht selbsterklärend sind (z.B.: „Klicken Sie auf die Schaltfläche ‚Bestätigen‘ im Dialogfeld ‚Speichern unter‘, um Ihre Datei zu speichern“ anstelle von einem kurzen: „Klicken Sie auf ‚Bestätigen‘“).
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade die Ausbildung von Teilnehmenden mit Einschränkungen den anderen Teilnehmenden sehr gut verdeutlichen kann, wie wichtig dieses Thema ist. Teilnehmenden mit Einschränkungen können eigene Erfahrungen besteuern, über die Sie als Ausbilder nicht verfügen. In einem meiner Seminare habe ich einmal versucht zu erklären, was eine Braillezeile ist. Ich könnte einfach nicht anschaulich erklären, wie das Gerät die Stößel herausragen lässt, um lesbare Zeichen in Brailleschrift aufzubauen. Doch plötzlich stand eine Teilnehmerin auf und zeigte den anderen stolz Ihr tragbares Notizengerät, das über eine Braillezeile verfügte. Sie erklärte, wie es funktionierte und wie sie es verwendete. Anschließend wurde das Gerät herumgereicht, sodass alle die Gelegenheit hatten, es zu sehen und zu ertasten. Ich bin überzeugt, dass die anderen Seminarteilnehmenden diese Technologie dadurch besser kennen und schätzen gelernt haben und sich besser in eine Person mit Einschränkungen hineinversetzen konnten.
Wichtige Schritte
- Informieren Sie sich über den Hintergrund und das technische Fachwissen Ihrer Seminarteilnehmende.
- Seien Sie offen und bereit, die Inhalte an die Bedürfnisse Ihres Publikums anzupassen.
- Bitten Sie besonders erfahrene Teilnehmende, Ihnen zu helfen und die anderen zu motivieren und zu unterstützen.
- Stellen Sie barrierefreie Versionen aller Präsentations- und Unterrichtshilfen zur Verfügung.
- Entwickeln und verwenden Sie selbst barrierefreie Inhalte.
- Stellen Sie Audiobeschreibungen aller visuellen Inhalte zur Verfügung, die sie verwenden, zeigen oder demonstrieren.
Letzte Aktualisierung: 27. August 2013