Kindheit und Schulzeit
Hauptmanns Eltern lebten in Bad Salzbrunn und besaßen den Gasthof “Zur Krone” bereits in zweiter Generation. Der Großvater Hauptmanns, ein ehemaliger Weber, hatte den Gasthof erworben.
Gerhart Hauptmann wurde am 15. November 1862 geboren. Er wurde auf den Namen Gerhard Johann Robert getauft. Die Schreibweise seines Vornamens änderte Hauptmann später. Sein Vater Robert änderte den Namen seines Gasthofs, dem Trend der Zeit folgend in “Zur preußischen Krone”. Er war mit Marie verheiratet, einer Tochter des Leiters des örtlichen Kurbetriebs. Das Verhältnis zwischen dem Hotelbesitzer und seinem Schwiegervater war gespannt. Dem Kurdirektor missfiel die soziale Herkunft seines Schwiegersohnes.
Gerhart Hauptmann wuchs zunächst in wohlhabenden Verhältnissen auf. Der junge Hauptmann war gut bekannt in der Nachbarschaft. Er spielte mit Kindern aus den verschiedenen Gesellschaftsschichten der kleinen Stadt und lernte dabei auch die schlesische Mundart kennen und sprechen.
Sein tief religösen Tanten aber missbilligten Hauptmanns Umgang mit den Kindern aus einfachen Verhältnissen. Hauptmann beschrieb aber rückblickend seine Eltern und vor allem seinen Vater als liebevoll. Der Vater, zunächst als höchste Autorität vom Sohn angesehen, wurde später ein guter Ratgeber und Freund für den Dichter.
Der junge Hauptmann fiel in der Familie und in der Nachbarschaft durch seine überschäumende Fantasie auf. Immer wieder erzählte er Geschichten. Die väterliche Bibliothek benutzte er als Kind häufig, wobei er besonders an den Lederstrumpf-Geschichten Gefallen fand.
Trotz seiner Lese- und Fabulierlust schaffte er knapp die Eignungsprüfung für die Realschule in Breslau, die er schließlich ab den 10. April 1874 besuchte. Um die Schule besuchen zu können, musste Gerhart und sein älterer Bruder Carl ein Zimmer in einer heruntergekommenen Schülerpension mieten.
Gerhart, in einer Kleinstadt aufgewachsen, fand sich in der Stadt Breslau nicht zurecht. Breslau war viel lebhafter als das heimische Bad Salzbrunn. Seine Unzufriedenheit führte auch dazu, dass sein Verhältnis zum Bruder angespannter wurde.
Der Schule und den Lehrern konnte Hauptmann keine Achtung gegenüber empfinden. Der Unterricht war streng preußisch und die Lehrer hart und brutal. Hauptmann reagierte darauf mit Abneigung und Trotz. Deshalb waren seine Leistungen im ersten Schuljahr so schlecht, dass er die Klasse wiederholen musste.
Nach den anfänglichen Schwierigkeiten gewöhnte sich Hauptmann an Breslau. Zu seinen Lieblingsbeschäftigungen gehörte der Besuch der Theater der Stadt, und er kam dadurch zum ersten Mal mit der Welt der Bühne in Berührung.
Carl und Gerhart Hauptmann waren mit ihrem Domizil nicht zufrieden und fanden eine neue Unterkunft bei dem Pastor Gauda, der als Gefängnisgeistlicher sein Auskommen hatte. Gauda gab dem jungen Gerhart Nachhilfeunterricht, der häufig im Büro des Geistlichen stattfand. Hauptmann musste dazu das Gefängnis betreten und lernte dabei das Schicksal der Inhaftierten näher kennen. Die Erlebnisse aus den Begegnungen mit einzelnen Gefangenen sollten sich später in seinen Dramen wiederfinden.
In dieser Zeit begann Hauptmann erste Gedichte zu schreiben. Weil Hauptmanns Vater die Pension beim Priester nicht mehr zahlen konnte, zogen die Brüder Hauptmann bei der Familie Penert ein.
Gerhart fühlte sich in der Wirtsfamilie gegenüber den anderen Gästen zurückgesetzt und schlecht behandelt. Das Jahr 1877 wurde für Hauptmann in der Rückschau zu einem prägenden Abschnitt. In diesem Jahr verstarb sein Vetter an einer Meningitis und ein Mitschüler beging Selbstmord. Hauptmann verließ mit einem durchschnittlichen Zeugnis die Schule. Er hatte die Schule preußischer Prägung mit ihrer Bevorzugung der adligen Klassenkameraden stets verachtet. Gerhart Hauptmann zog auf das Rittergut Lohnig, das sein Onkel Gustav Schubert gepachtet hatte. Hier half er seinem Onkel bei der Arbeit auf dem Gut, so gut er konnte.
Obwohl er meist nur die Landarbeiter überwachte, strengte ihn die Arbeit an. Zu den Kindern der Landarbeiter hatte er guten Kontakt, in dem er ihnen immer wieder Geschichten erzählte. Seine Eindrücke aus dem Landleben hielt er dabei in zahlreichen Skizzen fest.
Sein Onkel gab wenig später die Pacht auf. Er erwarb eigenes Land, und Hauptmann folgte ihm, um auch hier auszuhelfen. Doch auch hier war er nicht zufrieden. Die Landarbeiter standen ihm feindselig gegenüber, und Hauptmann wurde in dieser Zeit deshalb von unwirklichen Träumen und religiösen Fantasien heimgesucht.
Seine Versuche, diese Empfindungen literarisch zu verarbeiten, zeigten noch kein großes schriftstellerisches Können. Mehr Talent entwickelte er als Zeichner. Trotzdem nahm er aus dieser Zeit zahlreiche Eindrücke mit, die in seinen späteren Werken verarbeitet werden sollten.
Studium
1880 entschloss sich Hauptmann, Kunst zu studieren, weil er gerne zeichnete und die Arbeit der Bildhauer bewunderte. Er besuchte die Vorlesungen der Breslauer Kunstschule und lernte dabei mehrere Dozenten und Kommilitonen näher kennen. Einer seiner Lehrer war der Maler James Marshall.
Hauptmann fühlte sich hier heimisch und genoss den Umgang mit den Lehrern und verkehrte auch privat mit ihnen. Er bewunderte die Art, wie sich die Künstler kleideten und benahmen. Seine finanziellen Verhältnisse waren zu dieser Zeit angespannt. Mit Müh und Not konnte er seinen Lebensunterhalt finanzieren. Sogar Hunger war ihm nicht fremd.
Trotz seiner Nöte schrieb Hauptmann weiter Gedichte und begann mit dem Verfassen eines Dramas über den Stauferkönig Konradin, das er aber nicht vollendete. Sein erste künstlerische Anerkennung erlangte Hauptmann im privaten Familienkreis. Anläßlich der Hochzeit seines Bruders Georg hatte er das kleine Festspiel “Liebesfrühling” geschrieben. Die Freundin von Hauptmanns Schwester Charlotte, Mathilde Jaschke, finanzierte dazu den Privatdruck des Stückes. Es war damit die erste Buchausgabe eines Werkes von ihm.
Am 23. September 1881 wurde das kleine Theaterstück anlässlich des Polterabends uraufgeführt. Während der Vorbereitungen zur Hochzeit lernte Hauptmann die Schwester der Braut seines Bruders kennen. Nach ersten schüchternen Annäherungsversuchen verliebte sich Hauptmann in Marie, und seine Liebe wurde erwidert. Bereits Ende September im selben Jahr verlobten sich Marie und Gerhart heimlich.
Zurück in Breslau war Hauptmann unsicher, ob er seiner Mary (so nannte er sie, zum Unterschied zu seiner Mutter Marie) eigentlich würdig sei. Mary stammte aus wohlhabenden Elternhaus, und er war ein unbekannter Künstler ohne geregeltes Einkommen.
Doch Mary hielt trotzdem zu ihm und anlässlich eines Besuches in Breslau übergab sie ihrem Verlobten einen größeren Geldbetrag. Gerhart sollte später, als er selber über ein beträchtliches Einkommen verfügte, das Geld an seine Frau Mary zurückzahlen. Hauptmann, nun ohne Geldsorgen, verließ Breslau, um in Jena zu studieren.
In Jena beendete er sein Drama “Germanen und Römer” unter dem Einfluss seiner Begeisterung für alles Germanische. In dieser Zeit entwickelte er seine eigene Technik, Texte aufzuschreiben. Er ging auf und ab und diktierte den Text. Selber schreiben war nicht seine große Leidenschaft.
In den nächsten Monaten besuchte Hauptmann Weimar, Berlin und Hamburg. Er lernte dabei eine Welt jenseits des kleinstädtischen Milieus kennen. Dermaßen bewegt, fasste er den Plan, in die Länder des Mittelmeerraums zu reisen. Seine Begeisterung für das Germanentum wich zu dieser Zeit und die griechische Antike begann ihn zu begeistern.
Gerhart Hauptmann ging in Genua an Land und traf hier zufällig seinen Bruder Carl, der Italien bereisen wollte. Die Brüder verbrachten mehrere Wochen miteinander. Gerhart war besonders von den Menschen Capris begeistert, so dass er seine weiteren Reisepläne für Griechenland aufgab. Bruder Carl beendete seine Reise und fuhr nach Deutschland zurück, während Gerhart nach Rom weiter reiste.
Hauptmann war nun entschlossen, Bildhauer zu werden und richtete sich in Rom ein Atelier ein. Er fand in Rom unter den Mitgliedern der deutschen Gemeinde keine Anerkennung. Man spottete über seine Pläne, eine germanische Heldenstatue zu schaffen. Außerdem war seine Offenherzigkeit stets Ziel für zahlreiche Sticheleien. Seine gute finanzielle Situation fanden seine Kritiker nicht standesgemäß für einen unbegabten Künstler.
Nachdem er eine Typhuserkrankung überwunden hatte, verließ er deshalb im Frühjar 1884 Italien. Wieder sah er sich an einem entscheidenden Moment in seinem Leben. Sein offenes Verhalten, seine Herzlichkeit hatten sich als Fehler im Umgang mit den Menschen erwiesen.
Trotz seines Scheiterns übte die Bildhauerei weiter eine große Anziehungskraft aus. Doch es fehlte ihm dazu das nötige Grundlagenwissen. Deshalb besuchte er für kurze Zeit die Königliche Akademie in Dresden. Doch seine Ungeduld ließ ihn das Studium bald wieder beenden.
Wie so oft schwankten Hauptmann Stimmungen von einem Extrem zum anderen. Plante er etwas Neues, so war er kurze Zeit später schon wieder von Selbstzweifeln befallen. 1884 zog Hauptmann für einen erneuten Studiumversuch nach Berlin.
Die aufstrebende Reichshauptstadt faszinierte den angehenden Dichter. Berlin war die Stadt der Gegensätze. Er genoss das reiche kulturelle Angebot der Stadt. Ebenso hatte er aber auch einen Blick für das Elend weiter Teile der Stadtbevölkerung.
Der Besuch der Berliner Theater beeindruckte Hauptmann derart, dass er beschloss, Schauspielunterricht zu nehmen. Er begann bei Alexander Heßler, einem ehemaligen Theaterdirektor, mit dem Unterricht.
Berlin
Obwohl Hauptmann bald einsah, dass ihm die Schauspielerei nicht lag, hatte diese Zeit für ihn wichtige Erkenntnisse für seine spätere Karriere gebracht. Heßler zeigte Hauptmann auch den Betrieb hinter der Theaterbühne. Hauptmann lernte die verschiedenen Charakterfächer, die Funktionen der deutschen Theater und die Hierarchien im Theaterbetrieb kennen.
Gerhart Hauptmann brach diesen Schauspielunterricht bald ab, weil er nicht die nötigen Fähigkeiten und die Hingabe für diesen Beruf an sich bemerkte. Wieder verließ er Berlin. Am 5. Mai 1885 heiratete er seine treue Mary.
Die Hochzeitsreise führte das junge Paar nach Rügen. Eines seiner Gedichte aus dieser Zeit widmete sich der Insel Hiddensee. Nach der Hochzeitsreise nahm sich das Ehepaar eine Wohnung in Berlin. Das Leben in der Großstadt gefiel der Ehefrau nicht, sie sehnte sich nach einem Leben auf dem Land. Hauptmann, der in dieser Zeit an den Folgen einer Typhuserkrankung litt, kam den Wünschen seiner Frau entgegen. Sie zogen in den Berliner Vorort Erkner und mieteten eine Wohnung in einer Villa.
Hier lebte das Ehepaar zunächst zurückgezogen. Hauptmann erkundete bald die Umgebung und studierte die Menschen dieser Region. In der Ehe taten sich Spannungen auf. Hauptmann begann in Erkner mit den Planungen eines Dramas über Jesus. Am 9. Februar 1886 wurde der Sohn Ivo geboren. Knapp ein Jahr später folgte Eckart am 21. April 1887.
Hauptmann, den es immer wieder nach Berlin zog, fand 1886 Aufnahme in dem Berliner Dichterverein “Durch”. Hier trafen sich vor allem Anhänger des literarischen Naturalismus. Die Mitglieder des Vereins wurden später von der Literaturkritik und der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Zu unstet waren die literarischen und gesellschaftlichen Vorstellungen dieser Literaten.
Eine revolutionäre Aufbruchstimmung erfolgte hier nicht, obwohl die Mitglieder sozialdemokratischen Ideen nahestanden. Die Mitgliedschaft hatte für Hauptmann den Vorteil, verschiedene Verleger kennen zu lernen. So erschienen 1887 “Fasching” und “Bahnwärter Thiel”.
In den nächsten beiden Jahren schrieb Hauptmann weiter und begann die ihm eigene Form und Thematik seiner Werke zu finden. Da er immer Menschen und ihre Lebenssituationen in ungezählten Notizen festhielt, schöpfte er daraus seine Ideen. Viele autobiographische Einflüsse fanden ebenfalls Einzug in seinen Dramen und Schriften.
Seine weiter bestehende finanzielle Abhängigkeit von seiner Frau bedrückte Hauptmann immer mehr. Als seine Einkünfte doch versiegten, rettete nur eine Erbschaft Hauptmann und seine Familie vor dem Ruin.
Das Jahr 1889 brachte nicht nur einen weiteren Sohn, Klaus (geb. 8. Juli), sondern auch die Wende in Hauptmanns Leben.
Erste Erfolge
Gerhart Hauptmann hatte Theodor Fontane den Text des Dramas “Vor Sonnenaufgang” zur Begutachtung zugesandt. Kurz darauf lobte Fontane das Theaterstück in einem Beitrag der “Vossischen Zeitung”. Fontane empfahl das Werk Otto Brahm, dem Regisseur der “Freien Bühne” zur Aufführung.
Die “Freie Bühne Berlin” hatte sich in dieser Zeit zum Ziel gesetzt, Dramen aufzuführen, die dem Naturalismus zuzuordnen waren. Um der preußischen Zensur zu entgehen, sollten die Aufführungen im Rahmen Geschlossener Gesellschaften stattfinden. Hauptmanns Drama “Vor Sonnenaufgang” wurde schließlich am 20.Oktober 1889 im Berliner Lessing-Theater uraufgeführt.
Die Premiere geriet fast zum Fiasko, und das Publikum konnte kaum beruhigt werden. Das bürgerliche Publikum konnte mit der Handlung nichts anfangen. Man hatte zwar ein belehrendes Stück erwartet, aber diese Inszenierung war für diese Zeit einzigartig.
Hauptmann hatten den Text nicht in wohlgeformte Sätze gezwängt. Die Schauspieler sprachen und schrien in der Umgangssprache. Satzfragmente, einzelne Wörter folgten aneinander. Die Darstellung der Folgen des Alkoholismus war in seiner Direktheit für das Publikum abstoßend. Hauptmann hatte damit das erste “moderne” Theaterstück in Deutschland verfasst.
Die Literaturkritik war zunächst geteilter Meinung. Eine weitere Aufführung am 9. November 1890 in der “Freien Volksbühne Berlin” fand die Zustimmung des diesmal vorwiegend sozialdemokratisch gesinnten Publikums.
Gerhart Hauptmann hatte eindrucksvoll auf sich aufmerksam gemacht. Im Buchhandel wurden seine Bücher immer häufiger nachgefragt.
Am 1. Juni 1890 feierte “Das Friedensfest” in der “Freien Bühne” Premiere. Das neue Stück wurde gleich mit den Dramen Ibsens verglichen. Hauptmanns Ansehen wuchs deshalb immer mehr. Auch hier hatte Hauptmann persönliche Erlebnisse in die Handlung eingeflochten. Frank Wedekind mokierte sich über das “Friedensfest”, weil es Anspielungen auf seine Familie enthielt, die er in einem Gespräch mit Hauptmann offenbart hatte. Als literarische Entgegnung ließ Wedekind in einem seiner Theaterstücke eine Figur auftauchen, die deutlich als Gerhart Hauptmann zu erkennen war.
1891 wurde “Einsame Menschen” aufgeführt. In diesem, kaum verschlüsselten Theaterstück setzte sich Hauptmann mit seiner Familie auseinander. Die wachsende allgemeine Würdigung seiner Leistungen führte schließlich dazu, dass das “Deutsche Theater” in Berlin seine Werke in den Spielplan aufnahm.
In diesem Jahr beschäftigte sich Hauptmann gleichzeitig mit mehreren Projekten. Die “Weber” und “Hanneles Himmelfahrt” standen vor der Fertigsstellung. Auf mehreren Reisen suchte Hauptmann nach Zeitzeugen, die den Aufstand der schlesischen Weber 1844 noch miterlebt hatten.
1892 zog er mit seiner Frau in das schlesische Schreiberhau. Auch sein Bruder und dessen Frau Martha zogen in das gleiche Haus. Obwohl Gerhart Hauptmann später das Haus seinem Bruder überließ, hatte diese Zeit, die der Dichter hier verbrachte, Einfluss auf sein späteres Werk. Seine Verbundenheit mit den Menschen und den Landschaften Schlesiens ließen ihn nicht mehr los.
Hier vollendete er endlich die “Weber”. Die Uraufführung sollte im “Deutschen Theater” erfolgen. Doch die Preußische Zensur in Gestalt des Berliner Polizeipräsidenten Ernst Freiherr von Richthofen verbot die Aufführung. Auch eine leichte Neubearbeitung fand keine Zustimmung. Richthofen sah in dem Drama den Aufruf zum Klassenkampf und das konnte nicht geduldet werden.
Um die Zensur zu umgehen, fand die Uraufführung als Geschlossene Veranstaltung am 26. Februar 1893 im “Neuen Theater” in Berlin statt. Im Herbst 1893 wurde das Aufführungsverbot vom Königlich- Preußischen Oberverwaltungsgericht aufgehoben. Das Theaterstück durfte aber nur am “Deutschen Theater” gespielt werden.
Die Sozialdemokraten entdeckten die Vorzüge der “Weber” und führten das Hauptmann-Stück in der “Neuen Freien Volksbühne” auf. Knapp ein Jahr später war es endlich für die erste öffentliche Aufführung Zeit. Am 25. September 1894 durfte das allgemeine Publikum die “Weber” sehen. Das überwiegend sozialdemokratische Publikum feierte Gerhart Hauptmann an diesem Abend. Die Konservativen kritisierten das Theaterstück heftig, und Kaiser Wilhem II. kündigte seine Loge in “Deutschen Theater” aus Protest. Doch die politische Wirkung des Dramas war nicht mehr aufzuhalten.
Durchbruch
Fast gleichzeitig zu den “Webern” wurde 1893 “Der Biberpelz” uraufgeführt. Die Zuschauer, die ein weiteres naturalistisches Drama erwarteten, wurden enttäuscht. Der “Bibelpelz” war ein Lustspiel und schilderte das Leben einer Berlinerin, die mit Witz und List ihre Familie durchbringt. Die Figur der Mutter Wolffen wurde später zu einer der bedeutendsten Frauenfiguren im deutschen Theater. Am 21. September 1893 war Premiere im “Deutschen Theater”.
Die Aufführung, wider Erwarten kein Erfolg, wurde nach wenigen Vorstellungen abgesetzt. Hauptmann reagierte empfindlich auf die zunächst schlechten Kritiken. Ein Hauptkritikpunkt war das offene Ende des Theaterstücks.
Spätere Inszenierungen waren schließlich erfolgreicher, und viele bedeutende deutsche Schauspieler traten gerne im “Biberpelz” auf. Der “Biberpelz” ist das einzige Werk, dem Hauptmann eine Fortsetzung schrieb. “Der rote Hahn” zeigte später das weitere Schicksal der Mutter Wolffen. Warum Hauptmann eine Fortsetzung schrieb ist unbekannt.
Das Jahr 1893 wurde damit das produktivste in seinem literarischen Schaffen, denn am 14. September 1893 wurde im “Königlich Preußischen Schauspielhaus” in Berlin “Hanneles Himmelfahrt” uraufgeführt. Die Theaterkritiken waren sehr unterschiedlich. Höchstes Lob stand vernichtender Kritik gegenüber. Die Religiosität und Mystik des Stückes teilten das Publikum in zwei Lager.
Mit diesen drei Aufführungen setzte er historische Akzente und bewies, dass er nicht nur sozialkritische Dramen zu schreiben verstand, sondern auch Komödien und Märchenstoffe beherrschte.
Privat war das Jahr der Beginn der Ehekrise im Hause Hauptmann. Der Dichter hatte in Berlin die 19jährige Margarete Marschalk kennen gelernt und sich hoffnungslos in die 12 Jahre jüngere Frau verliebt. Hauptmann schwankte in seinen Empfindungen zu der Ehefrau und Geliebten hin und her. Zeitweilig stellte er sich vor, dass er doch mit beiden Frauen gleichzeitig leben könnte. Für seine Ehefrau Mary war aber dieser Zustand untragbar. Sie nahm Anfang 1894 die drei Söhne und buchte eine Passage auf einem Passagierschiff nach New York. Mary wollte sich mit ihren Kindern bei Bekannten in den USA einquartieren.
Als Hauptmann von der Abreise seiner Frau erfuhr, weilte er gerade in Paris, um die Premiere von “Hanneles Himmelfahrt” zu besuchen. Hauptmann reiste überstürzt seiner Familie nach. Mit Mühe konnte Hauptmann seine Frau überzeugen zurückzukehren. Im Mai 1894 kehrte die Familie nach Deutschland zurück.
Doch Hauptmann konnte sich nicht von seiner Geliebten Margarete lösen und erwog deshalb die Scheidung. Das Ehepaar Hauptmann nahm im Herbst 1894 getrennte Wohnungen. Hauptmann blieb in Berlin.
In dieser Zeit der persönlichen Wirrungen beschäftigte sich Hauptmann mit “Florian Geyer”, einer Geschichte aus dem deutschen Bauernkrieg. Wie bei den “Webern” unternahm er auch hier eingehende Studien. Doch “Florian Geyer”, am 4. Januar 1896 uraufgeführt, fiel bei der Theaterkritik zunächst durch. Hauptmann hatte es sich mit dem Drama selber schwergemacht. Die Thematik der Reformation war für das Publikum nicht mehr so relevant.
Wieder fühlte sich Hauptmann über diesen Misserfolg persönlich betroffen. Doch der Erfolg kam kurz darauf wieder zurück. Sein Märchendrama “Die versunkene Glocke” wurde am 2. Dezember 1896 im “Deutschen Theater” uraufgeführt und zu einem sensationellen Erfolg. Ein Stück genau nach dem Geschmack des Publikums. Keine düstere Gesellschaftskritik, sondern ein Theaterstück mit viel Schicksal und Gefühlen.
Doch Hauptmann hatte dem Naturalismus nicht abgeschworen. Am 5. November 1898 war Premiere für “Fuhrmann Henschel”.
Hauptmann zögerte in diesen Jahrenimmer noch, sich scheiden zu lassen. So baute er für seine beiden Frauen je ein Haus. Mary bezog eins in Dresden, und Hauptmann und Margarete zogen nach Agnetendorf. Am 1. Juni 1900 gebar Margarete einen Sohn, Benvenuto. Am 9. Juli 1904 wurde Hauptmanns Ehe endlich geschieden. Zwei Monate später heiratete Gerhart Hauptmann seine Margarete am 18. September 1904.
Auf und ab
Das Ehepaar Hauptmann zog in das Haus Wiesenstein in Agnetendorf. Bereits am 3. Januar 1900 feierte Hauptmanns Tragikomödie “Schluck und Jau” Premiere. Doch die Kritiken waren negativ und stürzten Hauptmann erneut in Selbstzweifel und Verstimmungen. Wie “Florian Geyer” wurde das Stück erst später vom Publikum angenommen. Trotzdem war Hauptmann weiter mit mehreren Projekten beschäftigt.
So wurde sein “Michael Kramer” am Ende des Jahres 1900 wieder mit guten Kritiken gewürdigt. Weniger erfolgreich wurde der “Arme Heinrich”, das am 29. November 1902 in Wien uraufgeführt wurde. Bei Kritikern und Kollegen fand Hauptmann zwar viel Lob, doch das Publikum blieb aus. Es nutzte auch nichts, dass Thomas Mann das Theaterstück würdigte.
Mit “Kynast” folgte ein weitere Aufführung aus der Epoche des Mittelalters. Damit bewies Hauptmann wieder, dass er in den verschiedenen Genres tätig sein konnte.
Mit “Rose Bernd” wandte er sich aber wieder der Gegenwart zu. Die Idee zu “Rose Bernd” kam Hauptmann, als er als Geschworenener über eine Kindsmörderin urteilen sollte. Kurz nach dem Prozess war der Text fertig, und am 31. Oktober 1903 war Premiere. Damit kehrte Hauptmann wieder zum Naturalismus zurück. Obwohl er gute Kritiken erhielt, waren auch Anklagen zu hören. Zu deutlich waren Hauptmanns Hinweise auf den Missbrauch der Rose Bernd durch die Angehörigen der gehobenen Gesellschaft.
Während Hauptmann ein Werk nach dem anderen veröffentlichte, bahnte sich in seinem Privatleben eine neue Liaison an. Während des Besuchs einer Probe am Berliner “Lessing-Theater” lernte Hauptmann die damals 16jährige Ida Orloff kennen.
Wieder war er vom ersten Augenblick verliebt. Seine Zuneigung sollte in den nächsten Jahren so intensiv weren, dass er in mehreren Theaterstücken, Romanen und Erzählungen Ida Orloff literarische Denkmäler setzte.
Ida Orloff war zu dieser Zeit eine gefragte Schauspielerin in Berlin. Hauptmann zog deshalb mit seiner Ehefrau nach Berlin, um seiner Geliebten nahe zu sein. Wieder war Hauptmann bereit, einen Neuanfang zu wagen. Er fühlte sich nach insgesamt zwanzig Jahren Ehe eingeengt. Hauptmann verfiel der erotischen Ausstrahlung der jungen Schauspielerin, und er beobachtete voller Eifersucht, wie auch andere um die Gunst von Ida Orloff warben.
1906 versuchte Hauptmann alle seine Gefühle, so widersprüchlich sie auch sein mochten, in seinem Theaterstück “Und Pippa tanzt” zu verarbeiten. Die Hauptrolle spielte – Ida Orloff. Sie erntete für ihre Darstellung vielfältiges Lob. Das Stück selbst fand aber wenig Beachtung.
Hauptmann musste sich wieder zwischen zwei Frau entscheiden, was ihm schon früher schwergefallen war. Eine langwierige Krankheit zwang ihn, nach Agnetendorf zurück zu gehen., um sich dort zu erholen. Seine Frau Margarete pflegte ihn und setzte darauf, dass die bedrohliche Affäre sich durch die räumliche Distanz abkühlen würde. Was sie auch tat. Ida Orloff heiratete 1907.
Trotzdem beschäftigte sich Hauptmann in den nächsten Jahren weiter mit der Person seiner ehemaligen Geliebten. War sie in “Pippa” noch das Objekt seiner Liebe, so wurde Ida Orloff in “Kaiser Karls Geisel” zu einer verführerischen Lolita.
Ida Orloff schien dem Dichter diese Darstellung ihres Charakters nicht übel zu nehmen. Sie spielte am Theater immer wieder in Stücken von Gerhart Hauptmann mit.
Das Ende der Monarchie
Hauptmann hatte in seiner Studentzeit eine große Begeisterung für das antike Griechenland gehabt. Seine damalige Mittelmeerreise sollte ihn eigentlich nach Griechenland führen, doch er unterbrach seine Reise in Italien, von wo er aus Enttäuschung nach Deutschland zurück fuhr.
Im Frühjahr 1907 verwirklichte er endlich seine damaligen Reisepläne. Er reiste mit der Familie und Freunden endlich nach Griechenland. Während der Reise begeisterte er sich an der Kultur und den Landschaften Griechenlands. Hier sah er die Ursprünge des Theaters und vor allem die Anfänge der Tragödie.
Wie so oft, hatte er sich auf diese Reise vorbereitet, in dem zahlreiche Texte aus dem antiken Griechenland studiert hatte. Hauptmann sollte in den nächsten Jahren die antike Geisteswelt in mehreren Theaterstücken und Erzählungen aufleben lassen.
Aus Griechenland zurück, wandte sich Hauptmann einer anderen literarischen Gattung zu. Mit “Emanuel Quint” (1910) und “Atlantis” (1912) veröffentlichte er seine beiden ersten Romane.
Der Roman “Emanuel Quint” beschäftigte sich mit einem Thema, das Hauptmann schon zu Beginn seiner Karriere für wichtig hielt: dem Christentum, seinem Anspruch und seiner Wirklichkeit. Bereits in Erkner hatte er sich mit der Gestalt Jesu intensiv beschäftigt.
Mit dem Roman “Atlantis” betrat Hauptmann ein weiteres literarisches Neuland. Er war nicht bedeutungsschwer und sozialkritisch, sondern einfach unterhaltend. Der Roman erschien zunächst im “Berliner Tagblatt” zur Fortsetzung.
Das Buch wurde unerwartet erfolgreich, weil sein Inhalt eine große Schiffskatastrophe vorwegnahm, die sich am 14. April 1912 tatsächlich ereignete. Es war der Untergang der “Titanic”. Ein Schiffsuntergang war genau die Thematik des Romans. Hauptmann schrieb damit aber nicht nur einen spannenden “Katastrophen-Thriller”. Mit “Atlantis” wies er auf die Gefahren der damaligen Technikgläubigkeit hin.
Das Buch war nicht nur Hauptmanns erster Unterhaltungsroman, sondern wurde auch als erstes seiner Werke verfilmt. Eine der Rollen im Spielfilm übernahm – Ida Orloff. Hauptmann nahm keinen Einfluss auf den Film, wie er es bei späteren Verfilmungen auch nicht tat. Er betrachtete Filme nur als günstige Einkommensquelle, die seinen gehobenen Lebensstil finanzieren sollten.
Am 13. Januar 1911 war Premiere des Theaterstücks “Die Ratten”. Doch es fiel zunächst beim Publikum und der Kritik durch. Erst die spätere Inszenierung von Friedrich Hollaender 1916 brachte den Durchbruch. In diesem Jahr sollte das Publikum erst die Hintergründe des Stückes verstehen, weil man den Untergang einer Epoche am eigenen Leib verspürte.
Trotzdem blieb Hauptmann aber ein geachteter Dichter, wie es sich bei der Premiere von “Gabriel Schillings Flucht” zeigte. Gefördert durch den langjährigen Hauptmann-Verleger Samuel Fischer fand die Erstaufführung 1912 in Bad Lauchstädt statt. Eigens zu diesem Anlass fuhr ein Sonderzug der Reichsbahn mit geladenen Gästen aus Berlin zum Theater.
Hauptmann war inzwischen auch in der gehobenen Gesellschaft ein gern gesehener Gast. Er pflegte Kontakte mit den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Vertretern. So vereinnahmten ihn auch liberale wie erzkonservative Kreise.
Am 10. Dezember 1912 erhielt Hauptmann die höchste Auszeichnung für sein Schaffen: den Literatur-Nobelpreis.
Hauptmann erregte aber dann doch die konservativen Kreise im Land. Die Stadt Breslau hatte ihrem großen schlesischen Dichter den Auftrag erteilt, anlässlich der Jahrhundertfeier der Befreiungskriege ein nationales Festspiel zu verfassen. Zunächst zögerte Hauptmann, weil ihm das Thema nicht behagte und ihm die gewünschte monumentale Aufführung unpassend erschien. Doch dann willigte er ein.
Am 31. Mai 1913 fand die Premiere des “Festspiels in deutschen Reimen” statt. Zwei Wochen später, am 17. Juni, ließ der deutsche Kronprinz Wilhelm das Stück absetzen, weil Hauptmann kein hurrapatriotisches Stück zur Verherrlichung Preußens geschrieben hatte. So legte Hauptmann der Göttin Athene die Worte in den Mund, dass Krieg Mord sei. Für konservative Kritiker hatte er damit keinen Patriotismus gezeigt.
Obwohl Hauptmann wiederholt vom deutschen Herrscherhaus missachtet wurde, ließ es sich der schlesische Dichter nicht nehmen, bei Kriegsausbruch in die allgemeine Kriegseuphorie einzustimmen. In mehreren Gedichten und Zeitungsartikeln feierte Hauptmann die deutschen Kriegsbemühungen.
Vergessen war Hauptmanns kritische Haltung der Vorkriegszeit, jetzt wurde er für seinen Patriotismus ins Präsidium der “Deutschen Gesellschaft” aufgenommen. Hier hatten sich konservative Militärs, Künstler und Wirtschaftsführer zusammengefunden. Auch der Kaiser vergaß seinen Widerwillen und verlieh dem Dichter den wenig bedeutenden Preußischen Roten-Adler-Orden 4. Klasse am 27. Januar 1915.
Wie bei vielen Intellektuellen folgte auch bei Hauptmann bald die Ernüchterung. Seine Begeisterung über den Krieg schwand, je aussichtsloser und verlustreicher der Krieg wurde.
Er arbeitete während des Weltkriegs weiter an mehreren Projekten, doch nur “Winterballade” wurde am 17. Oktober 1917 im “Deutschen Theater” erstaufgeführt. “Magnus Garbe” stellte er zwar 1915 fertig, doch die Uraufführung fand erst 1956 im “Schauspielhaus Düsseldorf” statt. Auch der “Weiße Heiland” feierte erst am 28. März 1920 Premiere, obwohl das Stück schon im Krieg fertig geworden war.
In beiden Dramen verarbeitete Hauptmann seine Erlebnisse und Gedanken über den Ersten Weltkrieg, und er zeigte damit, wozu Menschen fähig sind, wenn sie einer Ideologie folgen.
Weimarer Republik
In der Weimarer Republik wuchs Hauptmanns Ansehen auch in der Bevölkerung an. Er hatte die Nöte und die Sprache des Volkes auf die Bühne gebracht und gab sich nicht so elitär wie anderer Künstler dieser Zeit.
Hauptmann äußerte sich auch zu politischen Belangen Deutschlands. So trat er für den Verbleib Oberschlesiens im Reich und für den Anschluss Österreichs ein.
Die Sozialdemokraten wussten den beliebten Dichter zu würdigen. So kam Hauptmann 1921 sogar für die Kandidatur zur Reichspräsidentenwahl ins Gespräch. Doch Hauptmann war dazu nicht bereit.
Obwohl er als deutscher “Dichterfürst” in der Weimarer Republik angesehen wurde, ging die Nachfrage nach seinen Werken stetig zurück. Andere deutsche Dichter begannen das Theater und den Literaturbetrieb zu dominieren. Die literarische Qualität von Hauptmanns Werken hatte aber auch deutlich nachgelassen, und es fehlten von ihm eindeutige Stellungnahmen zum Zeitgeschehen.
Hauptmann war zu dieser Zeit ein Mann, der zu leben verstand. Reisen nach Italien, nach seinem geliebten Hiddensee, Übernachtungen in erstklassigen Hotels bestimmten seinen Alltag. Auf Wiesenstein empfing er gerne Gäste. Dieser Lebensstil war sehr kostspielig, zumal er auch seine Familie finanziell unterstützte. Um zu Geld zu kommen, begann er in Zeitungen Fortsetzungsromane zu veröffentlichen. Auch die Verfilmungen seiner Werke waren ihm recht, sofern die Produzenten entsprechend Geld für die Rechte bezahlten.
Obwohl Hauptmann keinen Einfluss auf die Gestaltung der Filme nahm, hatte er Interesse an den damaligen “Neuen Medien”. So wurde am 30. November 1923 die erste Lesung aus Hauptmanns Werken im damals jungen Rundfunk gesendet. Am 30. Oktober 1926 trat Hauptmann im Vox-Haus selber vor das Mikrofon und las aus seinem “Till Eulenspiegel”. Bereits ein Jahr vorher am 22. November 1925 wurde das Hörspiel “Hanneles Himmelfahrt” gesendet.
Trotz seiner literarischen Schaffenskrise wurde Hauptmann nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland als größter deutscher Dichter seiner Zeit gefeiert. So wurde er von einflussreichen Regierungschefs und Präsidenten empfangen, darunter Reichspräsident Hindenburg, US-Präsident Hoover und Italiens Staatschef Mussolini.
Zum Ende der Weimarer Republik gelang Hauptmann noch ein letzter Erfolg an der Bühne. Am 16. Februar 1932 erfolgte die Premiere von “Vor Sonnenuntergang” unter der Regie von Max Reinhardt. Die Buchausgabe des Dramas bestand aus fünf Akten, doch die Theateraufführung umfasste nur die ersten vier Akte, weil der Schauspieler Werner Krauß den fünften Akt nicht spielen wollte.
Mit dem Theaterstück über den Untergang des bürgerlichen Unternehmers Clausen sahen viele Kritiker eine Parabel über das Ende einer Epoche. Viel Lob wurde dem Alterserk des 70jährigen Hauptmann gespendet, der im Stück zahlreiche Anspielungen auf Goethe unterbrachte, so dass er damit auch seiner eigenen Stellung als bedeutendster Dichter seiner Zeit gerecht wurde, wie Kritiker und Hauptmann-Anhänger es empfanden.
Die Aufführung war auch die letzte bedeutende Premiere der Weimarer Republik.
Drittes Reich
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde eine bedeutende charakterliche Schwäche Hauptmanns wieder deutlich. Der Dichter, der wichtige sozialkritische Dramen geschrieben hatte, besaß trotzdem kein ausgeprägtes politisches Bewusstsein. So unterstützte er während des Ersten Weltkriegs die wilhelminische Kriegspolitik, obwohl der Kaiser sein Werk nicht schätzte. Er schrieb aber auch deutliche Worte gegen den Krieg in seinem Festspiel in Breslau. So machte es Hauptmann auch nichts aus, mit Vertretern erzkonservativer Kreise zu vekehren, obwohl er deren politische Gesinnung in seinen Dramen bloßstellte.
Hauptmann verstand auch nicht die Motivationen der neuen deutschen Dichter wie Brecht und Döblin, die Hauptmanns Stücke aus den Theatern verdrängten.
Hauptmann hegte keine Bedenken, als die Nationalsozialisten die Macht an sich rissen. Dese verachteten eigentlich die Werke Hauptmanns, doch sie wollten dessen Ansehen in der Bevölkerung für ihre Zwecke nutzen. Viele deutsche Literaten waren inzwischen ins Exil geflohen, und das neue Regime wollte den Nobelpreisträger Hauptmann wenigstens im Land halten.
So konnte Hauptmann weiter in Deutschland arbeiten, und die Theater zeigten seine Werke. Trotzdem wachte die Goebbelsche Zensur und verhinderte missliebige Theaterstücke und Prosawerke. Als Hauptmann die Novelle “Der Schuss im Park” veröffentlichte, wurde kurz darauf eine Neuauflage verboten, weil in der Handlung eine Farbige vorkam. Hauptmann gegenüber behauptete man, dass der Papiermangel eine Neuauflage unmöglich gemacht habe.
Die Verfilmungen von “Vor Sonnenuntergang” und “Biberpelz” wurden von der zensur bearbeitet, bevor sie ins Kino kamen. Der Film “Schluck und Jau” wurde von Goebbles verhindert.
Goebbels wollte Hauptmann zwar im Lande halten, doch sollte offiziell nicht zu viel über den Dichter verlautbart werden. So sollte auch der 80. Geburtstag Hauptmanns in kleinem Rahmen gefeiert werden. Doch Goebbels Feinde in der Partei, Baldur von Schirach und Hans Frank, richteten in Wien eine festliche Feier für den Dichter aus.
Welche Haltung Hauptmann wirklich gegenüber den Nationalsozialisten hatte, ist nicht eindeutig festzustellen. So kursierten in Emigrantenkreisen Gerüchte, dass Hauptmann die neuen Machthaber hofiere. So galt er auch als ein Bewunderer Mussolinis. Andererseits zeigte er, dass er von den Verbrechen im Dritten Reich wusste. So beschrieb er im Theaterstück “Die Finsternisse” das Schicksal einer jüdischen Frau in Schlesien. Hauptmann vernichtete das Manuskript 1945. Trotzdem blieb das Werk der Nachwelt erhalten, weil Hauptmanns Sekretär Erhard Kästner eine Abschrift angefertigt hatte.
Während der Zeit des Dritten Reiches behandelten Hauptmanns Theaterstücke keine sozialkritischen Themen. Er beschäftigte sich mehr mit der Vergangenheit und mit märchenhaften Themen.
Anfang 1945 fuhr der erkrankte Hauptmann mit seiner Frau Margarete nach Dresden, um sich dort in einem Sanatorium zu kurieren. Das Ehepaar erlebte dabei die Bombardierung und Vernichtung der Stadt durch alliierte Bomber am 14. Februar 1945. Die Nationalsozialisten intrumentalisierten den greisen Dichter noch ein letztes Mal, in dem sie seine Worte zur Zerstörung Dresdens unter der Ankündigung “Die Untat von Dresden – Gerhart Hauptmann klagt an” im Radio sendeten.
Hauptmann kehrte mit seiner Frau nach Agnetendorf zurück, obwohl russische Truppen bereits in Schlesien einmarschiert waren. Am 9. November 1945 erreichten russische Einheiten in Agnetendorf ein. Schlesien wurde kurz darauf an Polen angegliedert.
Mit Billigung des Sowjetmarschalls Schukow kam kurz nach Kriegsende Johannes R. Becher nach Agnetendorf, um Hauptmann zu einem Umzug nach Berlin zu bewegen. Becher war Präsident des “Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands” und wollte Hauptmann für die Kulturpolitik der Kommunisten gewinnen. Hauptmann sagte aber noch nicht zu, lobte aber die Vorstellungen des Kulturbundes.
Inzwischen begann Polen mit der Vertreibung der Deutschen aus weiten Teilen Schlesiens. Die Russen rieten Hauptmann daher, Schlesien zu verlassen. Hauptmann sagte zwar zu, zögerte aber noch mit der Abreise. Wenige Tage später erkrankte er lebensgefährlich an einer Bronchitis. Am 6. Juni 1946 starb Hauptmann in seinem Haus Wiesenstein in Agnetendorf.
Hauptmann hatte verfügt, dass er in seiner schlesischen Heimat beerdigt werden wollte. Seine Witwe Margarete vermutete, dass die neue polnische Regierung kaum Verständinis dafür haben würde, dass der berühmte deutsche Dichter in jetzt polnischen Boden beerdigt werden sollte. Deshalb entschied Margarete Hauptmann, dass ihr verstorbener Mann auf dessen geliebter Insel Hiddensee beerdigt werden sollte.
Am 17. Juli 1946 wurde Hauptmanns Leichnam zunächst nach Berlin überführt. Die neuen kommunistischen Machthaber im Ostteil Deutschlands nutzten dabei die Gelegenheit, Hauptmann als großen deutschen Dichter zu würdigen und für ihr Regime zu instrumentalisieren.
Am 28. Juli 1946 wurde Gerhart Hauptmann in Kloster auf Hiddensee beerdigt. Auf Wunsch Hauptmanns wurde ihm sein Werk “Der große Traum”, das Neue Testament und schlesische Heimaterde ins Grab mitgegeben.
Literatur:
Wolfgang Leppmann: Gerhart Hauptmann ; Leben, Werke und Zeit
Bern: Scherz 1986