Jugendjahre
Der Großvater Goethes, Friedrich Georg Göthé, stammte aus Thüringen. Er war Schneider von Beruf und arbeitete mehrere Jahre in Frankreich. 1685 zog er nach Frankfurt am Main und unterhielt hier eine florierende Schneiderei. Goethes Vater studierte in Leipzig Recht. Er bemühte sich um eine Position im Frankfurter Rathaus; doch er wurde abgelehnt.
Mit dem Erbe konnte sich Goethes Vater, Johann Caspar Goethe, bereits im Alter von 32 Jahren zur Ruhe setzen und seinen Interessen nachgehen. Zu seinen Leidenschaften gehörte die Kunst und die Naturwissenschaften. Auf diese Weise entstand im Laufe der Jahre eine umfangreiche Bibliothek im Hause Goethes. Goethes Mutter, Catharina Elisabeth geb. Textor, war die Tochter des Schultheiß´von Frankfurt. Sie war im Gegensatz zu ihrem Ehemann eine lebenslustige Frau.
Johann Wolfgang Goethe kam am 28. August 1749 in Frankfurt am Main zur Welt. Die Familie lebte zu dieser Zeit “Am Großen Hirschgraben” in der Nähe des Römerberges in einem dreistöckigen Haus. Goethe wuchs hier mit seiner jüngeren Schwester Cornelia auf. Vier weitere Geschwister Goethes verstarben bereits im Kindesalter.
Goethe ging nur kurz zur Schule, ehe der Vater und mehrere Hauslehrer seine schulische Ausbildung übernahmen. Der Vater, ein Anhänger der Lutheraner, legte bei der schulischen Bildung seines Sohnes besonders Wert auf religiöse Themen. Johann Caspar Goethe misstraute dem unterentwickelten Schulsystem Frankfurts. Seine eigenen Vorstellungen von Bildung und Erziehung waren sehr eigen. Goethe bezeichnete später die Bildungsbemühungen seines Vaters als Dilettantismus.
Der Unterricht war nicht nur auf Goethe und seine Schwester beschränkt, auch andere Kinder besuchten den Unterricht im Hause Goethe. Goethes Vater engagierte internationale Lehrer für seine Kinder: Latein lehrte ein Türke, ein Italiener italienisch, ein Jude jiddisch. Weitere Unterrichtsfächer waren u.a. Musik, Schönschrift und Zeichnen. Die letztgenannten Fächer dokumentierten sich später in Goethes klarer Handschrift und in seinen Zeichnungen, die er auf seinen Reisen anfertigen sollte.
1759 quartierten sich französische Offiziere in das Haus der Familie ein. Goethe freundete sich bald mit einem Offizier an, der sich besonders für die Malerei interessierte. Der junge Goethe besuchte in diesen Monaten eine französische Wanderbühne und verfolgte begeistert deren Aufführungen. Dabei blickte er auch neugierig hinter die Kulissen und lernte den Theaterbetrieb kennen.
Diese Welt beeindruckte ihn dermaßen, dass er Gedichte und Prosa zu schreiben begann. Er schrieb ein “Theaterstück” extra für die französischen Schauspieler.
Studienjahre
Auf Bestreben seines Vaters begann Goethe 1765 mit dem Studium an der Leipziger Universität. Eigentlich wollte Goethe Philologie und Geschichte studieren, doch der Vater bestimmte, dass sein Sohn die juristische Fakultät besuchen sollte. Goethe besuchte die Vorlesungen von Christian Fürchtegott Gellert, dessen Werke später zu den ersten Schriften des “Sturm und Drang” zählen sollten.
Gellert unterstütze nicht gerade die literarischen Erzeugnisse des jungen Goethe. Mehr Zuspruch und Hinweise erhielt Goethe von Ernst Wolfgang Behnisch. Dieser publizierte eine Sammlung galanter Gedichte Goethes. Die galanten Gedichte (“Annette”) verfasste Goethe, nachdem er sich in die Wirtstochter Anna Katharina Schönkopf verliebt hatte. Diese Methode der literarischen Verarbeitungen goethischer Leidenschaften und Lieben sollte zu einem Markenzeichen des Dichters in den folgenden Jahrzehnten werden.
Die Leidenschaft Goethes litt aber unter ständigen Eifersuchtsanfällen. 1768 trennte der sich von Anna Katharina Schönkopf. Goethe verarbeitete seine Gefühle zu seinem “Kätchen” nicht nur in Gedichten. Ein Schäferspiel “Die Launen des Verliebten” und zahlreiche Briefe gaben Zeugnis von Goethes schwankenden Gefühlen.
Goethe widmete sich auch in Leipzig der Malerei. 1765 begann er bei Adam Friedrich Oeser seine, bereits in Frankfurt am Main begonnen Studien fortzusetzen. An der Akademie Oesers machte er sich erstmals mit der Kunst der Antike vertraut .
Goethe war 1767 voller Selbstzweifel über die Qualität seiner Schriften und vernichtete viele Arbeiten, die zum Teil aus seiner Kinderzeit stammten. Im Sommer 1768 erkrankte Goethe schwer und kehrte deshalb in seine Heimatstadt zurück. Trotz seiner Tuberkulose begann Goethe mit ersten Tagebuchaufzeichnungen und verfasste ein Theaterstück, dass in der Tradition Molières stand. 1769 erschien im Buchhandel sein erster Lyrikband.
1770 reiste Goethe nach Straßburg, um dort sein Studium der Rechte fortzusetzen, ganz im Sinne seines Vaters. Goethe fand hier bald einen Freundeskreis an der Universität. Einer dieser Freunde sollte später im “Götz von Berlichingen” ein literarisches Denkmal finden.
In Straßburg lernte Goethe den Mediziner Friedrich Leopold Weyland kennen. Dadurch wurde Goethes Interesse an der Medizin geweckt, und er besuchte Anatomie-Vorlesungen. Obwohl ihm die Teilnahme an Sezierungen körperliches Unbehagen bereitete, vertiefte er sich in die menschliche Anatomie.
Zu dieser Zeit wohnte Johann Gottfried Herder in Straßburg. Zwischen ihm und Goethe entwickelte sich ein reger Gedankenaustausch. Goethe lieferte Herder Beiträge zu dessen Liedersammlung “Stimmen der Völker in Liedern”. Herders Interesse an der alten deutschen Kultur veranlasste Goethe dazu, eine Abhandlung über den Dombaumeister des Straßburger Münsters zu verfassen. Diese Schrift erschien 1773 in einem Buch Herders als Beitrag.
Während seines Studiums lernte Goethe die Pfarrertochter Friederike Brion aus Sesenheim kennen und verliebte sich in sie. Diese, wie später seinen anderen Affären, fanden Eingang in sein dichterisches Werk. Die Pfarrertochter sollte später in “Dichtung und Wahrheit” verewigt werden. Ganz im Bann der jungen Frau verfasste Goethe zahlreiche Gedichte, darunter “Heideröslein” und “Willkommen und Abschied”. Wie später im Werther schildert er darin eindringlich seine Natur-und Liebeseindrücke. Goethe beendete die Beziehung zu Friederike Brion wenige Monate später.
1770 legte Goethe seine Dissertation vor. Seine darin vertretenen religiösen Ansichten fanden Unverständnis, und die Dissertation wurde abgelehnt. Am 6. August 1771 bestand Goethe seine juristische Prüfung. In seiner Heimatstadt Frankfurt am Main eröffnete er wenig später eine Kanzlei und arbeitete als Anwalt. Eine Tätigkeit, die seinen rastlosen Geist bald langweilte.
Wie Herder vergötterte Goethe William Shakespeare, den er in einer Rede am 14. Oktober pries. Für Literaturhistoriker gilt diese Rede als eines der Manifeste der beginnenden “Sturm und Drang-Epoche”. In diesem Jahr entstand die erste Fassung des “Götz von Berlichingen”. Nach mehreren Überarbeitungen wurde das Theaterstück auch in Buchform herausgegeben.
“Götz von Berlichingen” begeisterte vor allem das junge Publikum. Das historische Thema, der rasante Wechsel der Szenen und die realistische Darstellung des ausgehenden Mittelalters verstießen gegen die in dieser Zeit geltenden Regeln für das Theater.
1772 begab sich Goethe nach Wetzlar, um am Reichskammergericht eine Praktikantenstelle zu übernehmen. Seine Unlust an juristischen Themen und die chaotischen Zustände am Kammergericht ließen ihn nicht allzu lange verweilen.
Werther, der erste Erfolg
Während der Zeit am Reichskammergericht in Wetzlar lernte er in Volpertshausen Charlotte Buff kennen. Charlotte Buff hatte nach dem Tod ihrer Mutter die Aufsicht über ihre elf Geschwister übernommen. Dieses Verantwortungsgefühl und ihre Schönheit und Jugend ließen Goethe wiederum in Schwärmerei verfallen.
Lange Zeit duldete der Verlobte Charlottes, Johann Christian Kestner, die Besuche Goethes. Nach einiger Zeit machte Kestner sein Missfallen deutlich, und Goethe verließ Volpertshausen.
Diese Begebenheiten und die folgende Bekanntschaft mit der sechszehnjährigen Maximiliane von La Roche sollten Anregungen für Goethes ersten Welterfolg “Die Leiden des jungen Werther” werden. Der Verlobte Maximilianes hatte nicht den Langmut Kestners. Peter Anton Brentano warf Goethe aus dem Haus.
Am 30. Oktober 1772 erschoss sich Carl Wilhelm Jerusalem, ein Bekannter Goethes, aus Liebeskummer. Anderthalb Jahre später sollte Goethe diesen Selbstmord und seine eigenen Erlebnisse miteinander kunstvoll zum “Werther” vereinen.
Goethe war während seines Aufenthaltes in Wetzlar voller Elan. Hier entstanden Verse, die später Weltruhm erlangten. Goethe fing in diesem Zeitraum mit ersten Studien zum “Faust” an. Er bewies auch, dass er nicht nur Liebes- und Naturlyrik meisterhaft beherrschte. In Wetzlar entstanden satirische Gedichte, die oft drastisch-derb die Dichter und ihr Werk karikierten.
1774 schrieb er den Briefroman “Die Leiden des jungen Werther” innerhalb von vier Wochen. In der Folge des literarischen Trends zur Empfindsamkeit, angelehnt an die melancholischen Werke der damaligen englischen Literatur, schrieb sich Goethe seine eigenen Befindlichkeiten mit dem “Werther” von der Seele.
Der Briefroman wurde zu einem sensationellen Erfolg im deutschsprachigen Raum. Zahlreiche Dichter und Philosophen nahmen deshalb Kontakt mit Goethe auf. Die Frankfurter Gesellschaft warb ebenfalls um Goethe, und er wurde zu zahlreichen angesehenen Familien eingeladen.
Eine dieser Besuche führte zu einer weiteren Liaison Goethes. Anfang Januar 1775 lernte er die Tochter des Bankiers Schönemann kennen. Die junge Anna Elisabeth Schönemann, genannt Lili, entfachte die Leidenschaft im jungen Goethe.
Wenig später feierten die beiden Liebenden am 20. April 1775 Verlobung. Die Verbindung stand unter einem ungünstigen Stern. Die Eltern der beiden Brautleute waren mit dem Verhältnis nicht einverstanden. Zusätzlich hatte Goethe immer noch Schwierigkeiten, sich in den vornehmen Kreisen seiner Verlobten zu bewegen.
So nutzte er seine Bekanntschaft zu Carl-August von Sachsen-Weimar-Eisenach und folgte dessen Einladung nach Weimar.
Weimar
Das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach hatte zu dieser Zeit hohe Staatsschulden. Als Regentin herrschte Herzogin Anna Amalia über das Land. Weimar hatte sich unter ihrer Regentschaft zu einem Treffpunkt für Schriftsteller und andere Kunstschaffende entwickelt. Der “Weimarer Musenhof” war der Schauplatz für bedeutende literarische und künstlerische Veranstaltungen.
Am 3. September 1775 übernahm der Sohn Anna Amalias, Carl August, die Herrschaft über das Herzogtum. Die angesehene Weimarer Kulturlandschaft und seine Freundschaft zum Herzog veranlassten Goethe, nach Weimar umzuziehen. Carl August ernannte Goethe zum Geheimen Legationsrat. Somit stand Goethe, als Mitglied im Geheimen Conseil, dem Fürsten als Berater zur Seite. Die Entscheidung des Fürsten fand im Weimarer Adel keine große Begeisterung.
Carl August zeichnete 1782 seinen Freund Goethe dadurch aus, indem er Kaiser Josef II. bat, den Dichter in den Adelsstand zu erheben. Goethe diente in den nächsten Jahren in verschiedenen Funktionen, u.a. auch als Finanzminister.
Goethe verlor bei der täglichen Regierungsroutine zunächst nicht seine literarischen Arbeiten aus den Augen. Er organisierte Veranstaltungen, schrieb kleine Theaterstücke und trat sogar im Weimarer Hoftheater als Schauspieler auf.
In Weimar begegnete er Charlotte von Stein. Die gebildete Frau und der ungestüme Dichter trafen sich in den folgenden Jahren immer wieder zum Gedankenaustausch und führten einen regen Briefwechsel. Goethe, der eigentlich mehr als geistige Nähe wünschte wurde von der strengen Charlotte von Stein immer etwas auf Distanz gehalten.
Während dieser Zeit legte Goethe etwas von seinem “unbändigen Wesen” ab und seine Lyrik wurde “ruhiger”. Goethe nannte später seine ersten Weimarer Jahre eine Zeit der inneren Reifung. Das zeigte sich auch bei seinen naturwissenschaftlichen Forschungen, die er in Weimar begann. Er bemühte sich dabei intensiv um Fragen der Geologie, der Botanik und der Anatomie. Goethe blieb bei seinen Forschungen nicht nur an der Oberfläche eines Themas.
In Jena lehrte zu dieser Zeit der Anatom Justus Christian Loder, der Goethe zu anatomischen Studien anregte. Goethe entdeckte dabei 1784 den menschlichen Zwischenkieferknochen, der auch bei den Tieren vorhanden ist. Er vermutete deshalb, dass es früher eine Verbindung zwischen Mensch und Tier gegeben haben muss. Eine These, die Theologen zu Goethes Zeit vehement ablehnten.
Goethe empfand nach Jahren die Regierungszeit immer belastender. Es blieb ihm immer weniger Zeit für sein literarisches Schaffen. So bat er am 3. September den Herzog um einen längeren Urlaub. Der Herzog gab der Bitte nach, und Goethe reiste nach Italien.
Voller Begeisterung beschrieb er in seinem Reisetagebuch seine Begegnung mit der italienischen Kultur. Bewundernd schilderte er die Bauwerke der Renaissance und der Antike. Dabei schätzte er die Bauten des Renaissance-Architekten Andrea Palladios besonders.
Am 29. Oktober traf Goethe in Rom ein und besuchte in den nächsten Monaten die Sehenswürdigkeiten der Ewigen Stadt. Am 22. Februar 1787 verließ er Rom, um Süditalien zu bereisen. Neapel, der Vesuv und Sizilien waren Stationen seiner Betrachtungen und Forschungen. Im Juni des Jahres kehrte er wieder nach Rom zurück und blieb noch bis Ostern 1788. Goethe empfand seine Italienreise als eine “Wiedergeburt”, als ein Prozess der Selbstfindung.
Goethe hatte in Italien auch Zeit, mehrere Theaterstücke zu vollenden. “Iphigenie”, “Egmont” und “Torquato Tasso” erhielten ihre endgültige Fassung.
Als Goethe nach Weimar zurückkehrte, wollte er sich nicht weiter in die tägliche Verwaltungsroutine einbinden lassen. Er wollte mehr Zeit für seine Schriftstellerei und Forschungen haben. Der Herzog kam dieser Bitte nach und erteilte Goethe die Aufsicht über die Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen des Landes.
Goethe hatte sich durch seine Erlebnisse so verändert, dass er sich in Weimar nicht mehr so heimisch fühlte. Am 12. Juli 1788 begegnete er in Weimar Christiane Vulpius. Sie war eine Frau aus einfachen Verhältnissen und arbeitete als Näherin. Wenig Tage später zog sie zu Goethe. Wieder hatte die adlige Gesellschaft ihren Skandal. Der berühmte Dichter hatte ein Verhältnis mit einer Frau aus niederen Kreisen. Außerdem offenbarte Goethe seine Liebe zu Christiane Vulpius in ziemlich freizügigen Versen. In den “Römischen Elegien” tauchte kaum verschlüsselt die Gestalt Christianes auf. Die Erotik und die beschriebene Sexualität so zu präsentieren, war damals nicht nur in Weimar ein Skandal. 1789 brachte Christiane Vulpius Sohn August zur Welt.
Trotz aller sittlichen Empörung der Bürger Weimars blieb Goethe in der Stadt. Ab 1791 wurde das Weimarer Hoftheater unter seiner Leitung zu einer der führenden Bühnen. Goethe sorgte mit seinen Spielplänen für ein abwechslungsreiches Programm. Unterhaltendes und anspruchsvolles Theater wurden dem Publikum geboten. Dazu kamen noch Opern-Aufführungen. Goethe stellte auch Werke Shakespeares immer wieder ins Programm.
Goethe blieb neben seiner Theatertätigkeit noch Zeit für naturwissenschaftliche Studien. Er beschäftigte sich mit Problemen der Optik und der Morphologie der Pflanzen. Er setzte auch seine Untersuchungen zur Farbenlehre fort, die er bereits in Italien begonnen hatte.
Goethe und Friedrich Schiller
In diesen Jahren lebte Friedrich Schiller in Weimar und später in Jena. Goethe und Schiller hatten sich zwar bei verschiedenen Anlässen gesehen, doch sie standen sich sehr kritisch gegenüber. Trotzdem versuchte Schiller mit Goethe zusammen zu arbeiten. Friedrich Schiller bat Goethe am 13. Juni 1794 um Mitarbeit an der Zeitschrift “Die Horen”. Goethe willigte ein.
Mit einem Brief vom 23. August 1794 an Goethe sollte die berühmte Partnerschaft zwischen den bedeutenden Dichtern beginnen und eine Epoche prägen. Dabei wollte sich Schiller den realistischen Ansichten Goethes über die Literatur annähern und sich weniger philosophischen Betrachtungen hingeben.
Die Artikel der beiden Schriftsteller in der Zeitschrift “Die Horen” wandten sich auch gegen die Französische Revolution, deren blutigen Terror beide ablehnten. Schiller entwickelte in seinen Beiträgen die Idee, dass der Mensch durch seine Kultur und Bildung den Weg zu einem idealen Staat schaffen könne, in dem nur die Vernunft herrschen sollte.
Die Zeit ihrer Partnerschaft war für beide Dichter eine höchst produktive Epoche. Schiller vollendete mehrere seiner Dramen, die seinen Weltruf begründen sollten. Goethe schuf “Wilhelm Meisters Lehrjahre”, wobei er zu diesem Bildungsroman einen intensiven Briefwechsel mit Schiller führte.
Die Artikel der Zeitschrift “Die Horen” fanden viel Kritik und Unverständnis. Der dadurch entstehende literarische Disput mit ihren Kritikern veranlasste die beiden Weimarer Dichter sich in verschiedenen Gattungen der Literatur zu versuchen.
Angelehnt an die antike Dichtkunst entstanden in den folgenden Jahren Gedichte und Balladen, die die Weimarer auszeichnen sollten: “Der Zauberlehrling”, “Der Taucher”, “Die Kraniche des Ibykus”, “Hermann und Dorothea”.
Mit “Hermann und Dorothea” gestaltete Goethe das Zeitalter der Revolutionskriege mit den Stilmitteln der klassischen Antike.
Am 9. Mai 1805 starb Schiller. Goethe war über dessen Tod tief erschüttert. Wieder flüchtete er sich in Arbeit. So stellte er 1806 endlich den ersten Teil des “Faust” fertig. Mit dem Tod Schillers ging auch die Zeit der “Weimarer Klassik” zu Ende. Die Epoche der Romantik begann in Deutschland.
Alter und Tod
Die napoleonischen Kriege erreichten Weimar. Die französischen Soldaten plünderten die Stadt. Dank des couragierten Auftretens Christianes wurde die Plünderung des Goethe-Besitzes verhindert. Goethe war von der Entschlossenheit seiner langjährigen Geliebten so angetan, dass er sie am 19. Oktober 1806 heiratete.
Goethe begann, sich von den literarischen Leitlinien der Klassik etwas zu lösen. Er entdeckte wieder die altdeutsche Kunst und deren Literatur. Die Romantiker Achim von Arnim und Clemens Brentano suchten die Nähe Goethes, indem sie ihre Liedersammlung “Des Knaben Wunderhorn” ihm widmeten.
Ab 1809 begann Goethe damit, seine Lebenserinnerungen niederzuschreiben. Mit “Dichtung und Wahrheit” gab er einen Einblick in seine Ansichten und Erlebnisse. Im Gegensatz zu den Vertretern der beginnenden Romantik hielt sich Goethe aus der Politik heraus. Die nationalen Bewegungen in dem kleinstaatlichen Deutschland fanden bei ihm kein Gehör. Nach der Niederlage Napoleons versuchte er seine neutrale politische Haltung in dem Festspiel “Des Epimenides Erwachen” zu erklären.
1814 reiste er in seine Heimat und besuchte alte Bekannte und Freunde. Die Reise wurde eine Inspiration für Goethe.
Goethe fühlte sich danach unbeschwerter, sprach von einer “zweiten Jugend”. Er las zu dieser Zeit eine Sammlung des persischen Dichters Hafis. Goethes Begeisterung für dieses Werk war so groß, dass er mit seinem eigenen “Divan” begann. Goethes “West-östlicher Divan” wurde aber nicht gleich ein Erfolg. Zu fremd war vielen Lesern die orientalische Kultur.
Eine neue Geliebte fand sich auch in Goethes “West-östlichen Divan” wieder. Er hatte auf seiner Reise 1815 Marianne von Willemer, die Frau eines Bankiers kennen gelernt. Im Laufe der nächsten Jahre entspann sich zwischen den beiden Liebenden ein poetischer Briefwechsel. Marianne wurde als Suleika im Divan verewigt.
Die Romantiker hatten in diesen Jahren immer wieder versucht, Goethe für sich zu gewinnen. Doch Goethes erneutes Interesse an der alten deutschen Kunst, machte ihn nicht zu einem Anhänger der romantischen Literatur. Er orientierte sich immer noch mehr an die Auffassungen der Antike. Die nationalen Bestrebungen der Romantiker fanden ebenfalls nicht das Wohlwollen Goethes.
Am 6. Juni 1816 verstarb unter Qualen seine Frau Christiane. Goethe war tief erschüttert. Wieder stürzte er sich in seine Arbeiten, um seine Trauer zu verdrängen. Er übernahm wieder ein Ministeramt in Weimar und war wieder zuständig für Wissenschaft und Kultur. 1817 gab er die Leitung des Weimarer Hoftheaters ab. Goethe nutzte die freigewordene Zeit für die Weiterführung seiner naturwissenschaftlichen Forschungen.
Goethe reiste öfters zur Kur in Marienbad. Hier traf er 1821 wieder Ulrike von Levetzow, die er bereits als Vierjährige kennen gelernt hatte. Fühlte er sich zunächst deshalb als “väterlicher Freund”, der jetzt 17jährigen, warb er 1823 um die Hand der jungen Frau. Seine Werbung stieß bei der Mutter Ulrikes auf Ablehnung. Kurz nach dem Antrag verließen Mutter und Tochter den Kurort und ließen Goethe zurück. Die “Marienburger Elegien” sollten später Goethes Trauer über die Zurückweisung dokumentieren.
Goethe unternahm in seinen letzten Lebensjahren keine weiten Reisen mehr. Sein Alter bedrückte in immer mehr. Durch intensives Arbeiten wollte er sich das Gegenteil beweisen. So bearbeitete er eine weitere Gesamt-Edition seiner Werke und vollendete “Wilhelm Meisters Wanderjahre” und 1831 “Faust II”. Goethe bestimmte, dass der zweite Teil des “Faust” erst nach seinem Tod veröffentlicht werden durfte.
Die Fortsetzung des “Wilhelm Meisters” fand unter der zeitgenössischen Kritik wenig Zustimmung. Sogar Thomas Mann attestierte hundert Jahre später wenig Freude an dem Buch. Goethes Stilmittel in diesem Werk waren seiner Zeit weit voraus. So wird der letzte Teil des “Wilhelm Meisters” von einigen Literaturwissenschaftlern des vorigen Jahrhunderts als ein erster moderner Roman gewürdigt.
Goethe lebte aber nicht in Isolation. Sein Haus war immer noch Treffpunkt und Ort für Feste und Gespräche. Friedrich von Müller und Johann Peter Eckermann führten mit dem alternden Dichter zahllose Gespräche. Beide brachten ihre Aufzeichnungen später in Buchform heraus und vermittelten damit einen tiefen Einblick in Goethes Gedankenwelt.
Goethes literarisches Denken beschränkte sich nicht nur auf den deutschsprachigen Raum. Er zeigte auch reges Interesse an den Literaturen anderer Länder und Kontinente. Fand ein Buch dabei sein besonderes Interesse, so schuf er häufig eigene Texte, die dieses Buch als Vorbild hatten. So erschienen 1827 Gedichte Goethes, die von chinesischen Versen inspiriert waren, die er kurz vorher gelesen hatte.
Bis zu seinem Tod war Goethe fast manisch tätig. Schöpferische Unrast erfüllte ihn und lenkte ihn vom Sterben seiner Bekannten, Freunde und vom Tod seines Sohnes August am 27. Oktober 1830 ab.
Goethe starb am 22. März 1832.
Literatur:
Anja Höfer: Johann Wolfgang von Goethe
München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1999
(dtv-Portrait.)