Die Figur des Dr. Johann Faust hat wahrscheinlich Georg Faust zum Vorbild. Georg Faust, geboren um 1480 in Württemberg, tat sich als Magier und Astrologe hervor. Er führte ein unstetes Leben und zog von Stadt zu Stadt. Obwohl eine Berühmtheit bei den Menschen, wurde er immer wieder wegen seiner Zaubereien und seiner sündigem Lebensweise aus vielen Städten ausgewiesen. Seine “geheimnisvollen” Fähigkeiten sorgten bald für die Entstehung fantastischer Erzählungen.
Hinweis: Hier zur Zusammenfassung von Faust.
Unter Literaturhistorikern ist aber umstritten, wer eigentlich Pate für die Faust-Gestalt war. So wird auch immer wieder Johann Faustus aus Knittlingen als Vorbild genannt. Der Name Faustus sollte auch nicht unbedingt für den richtigen Familiennamen genommen werden. In dieser Epoche war es durchaus üblich, dass man seinen Namen latinisierte und ihm einen berufstypischen Beiklang gab.
So bedeutet Faustus übersetzt: glücklich. Damit warb z.B. ein Astrologe für sich und deutete gleichzeitig an, ein Gelehrter zu sein.
Die Entstehung der Faust-Sage ist eng verbunden mit dem Aufkommen der Reformationszeit. Der Mensch dieser Zeit verabschiedete sich von der Lebensweise des Mittelalters. Die christliche Moral, die den Menschen auf das Leben nach dem Tod vertröstete und ihn in seiner persönlichen Entfaltung behinderte, hatte sich überlebt. Der Mensch der Reformationszeit und der Renaissance war neugierig auf das diesseitige Leben. Der Mensch wollte das Leben genießen und die Welt erforschen. Die Philosophie und die Kultur der Antike, die gerade wieder entdeckt wurden, standen bei diesem neuen Weltbild Pate.
Bei der Suche nach Erkenntnis und Sinnenfreude waren die Menschen auch bereit, jedes Mittel dazu anzuwenden. So wurde auch der Pakt mit dem Bösen nicht dabei ausgeschlossen. Die Vorlage für die Faust-Sage war damit geschaffen worden.
Der Buchdrucker, J. Spiess sammelte als Erster die verschiedenen Geschichten und veröffentlichte sie 1587 unter dem Titel “Historia von D. Johann Fausten”. Spiess lässt Faust in Roda bei Weimar zur Welt kommen. Faust studiert zunächst Theologie und wendet sich nach dem Studium der Magie zu. Faust schließt mit Mephistopheles einen Pakt. 24 Jahre lang soll Faust jeder Wunsch erfüllt werden, danach muss er seine Seele dem Teufel verschreiben. Faust widmet sich in dieser Zeit seinen Studien und Zaubereien und führt ein ausschweifendes Leben. Dass ein Pakt mit dem Teufel nicht so gefahrlos ist, muss Faust bald einsehen.
Das Buch fand bei seinen Lesern so viel Anklang, dass bald Neufassungen und Bearbeitungen erschienen. 1593 wurde das populäre Volksbuch über Faust mit den Erlebnissen seines Dieners Christoph Wagner fortgesetzt.
G. R. Widmann gab dem Faust-Stoff einen pseudowirklichen Hintergrund, in dem er den Ereignissen Datumsangaben hinzufügte. Faust ist in diesem Buch ein wissensdurstiger Gelehrter, der bei seinen Forschungen sich keine Grenzen setzt und letztendlich Gott leugnet bzw. an diesem zweifelt.
Das Faust-Thema war nicht nur auf dem europäischen Kontinent bekannt. Der Engländer Christopher Marlowe verfasste 1594 das Theaterstück “Tragical History of Doctor Faustus”. Das Drama lebte von seinen thematischen Gegensätzen. Fausts Überheblichkeit wechselt mit seiner Melancholie und Religion trifft auf Magie. Berühmt wurde der Monolog im Studierzimmer, in dem Faust sich mit den Wissenschaften auseinandersetzt. Doch die lassen ihn zweifeln, und er wendet sich der Magie zu.
Das Faust-Motiv wurde in den nächsten Jahrhunderten ständig weiter bearbeitet und umgestaltet. Es wurde nicht nur als Drama erfolgreich verbreitet. Der Stoff bot auch Anlass für mehrere Komödien. So erhielt Faust im Lauf der Jahre auch einen Diener mit komischen Charakter.
Die volkstümliche Fassung des “Christlich Meynenden” von 1725 machte Johann Wolfgang Goethe mit dem Faust-Thema bekannt.
Faust fand auch Eingang in das Puppenspiel, wobei die Handlung mehr Komödie als Drama war. Im Volkslied wurde Faust ebenfalls vertont und fand dabei auch Aufnahme in der Liedersammlung “Des Knaben Wunderhorn”.
Goethe beschäftigte sich ab 1773 fast sechzig Jahre lang mit dem Faust-Thema. Eigentlich umfasst “Faust” vier Teile bzw. Versionen. Der sogenannte “Ur-Faust” hat sich nur in einer Abschrift von Luise von Göchhausen erhalten und wurde erst 1887 von Erich Schmidt veröffentlicht. Goethe hatte zu Beginn noch kein festes Konzept für seinen Faust-Stoff. Er hatte sich mit der Zeit um 1500 vertraut gemacht. Er verwendete für den “Urfaust” Personen und Orte aus seinen erforschten Quellen und fügte auch alchimistisches Wissen in die Handlung ein.
1790 erschien bereits das “Faust-Fragment”, eine weitere Faust-Bearbeitung Goethes. Er fügte in Weimar weitere Passagen hinzu, u.a. den Pakt mit Mephistopheles und die Walpurgisnacht. Diese waren während seiner Italien-Reise entstanden.
Danach brach Goethe die Arbeiten am Faust-Stoff zunächst ab und begann sie erst wieder konsequent ab 1797. Friedrich Schiller hatte ihn dazu etwas gedrängt.
1808 erschien der Text als “Faust, 1. Teil” und erreichte bald darauf Weltruhm. Während der nächsten dreißig Jahre vollendete Goethe noch den zweiten Teil. 1827 erschien bereits die “Helena-Tragödie” aus dem zweiten Teil.
Der goethische Faust reizte die unterschiedlichsten Dichter und Komponisten zu Nachahmungen bzw. zu kritischen Auseinandersetzungen mit dem Werk Goethes. Von Adalbert von Chamisso, Christian. D. Grabbe, Achim von Arnim über die Oper Gounods bis Thomas Mann reicht die Vielfalt der Faust-Versionen.
Das Drama Goethes schaffte es auch in Frankreich auf die Bühne. Ein beachtlicher Erfolg für einen deutschen Dichter in unserem Nachbarland. Weltweit betrachtete man den Faust als das deutsche Drama.
Literatur:
Gerd Eversberg:
Erläuterungen zu Johann Wolfgang von Goethe: Faust Teil 1. 3. Aufl.
Hollfeld: Bange 1987
(Königs Erläuterungen und Materialien; 21/22.)
Elisabeth Frenzel:
Stoffe der Weltliteratur. 3. Aufl.
Stuttgart: Kröner 1970
(Kröners Taschenausgabe; 300.)
Werner Keller:
Faust. Eine Tragödie (1808)
in:
Walter Hinderer (Hrsg.):
Goethes Dramen; Neue Interpretationen
Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1980