Louise Bourgeois „Maman“: Analyse & Interpretation

Betrachtet man sich die Installation „Maman“, auch „Spider“ genannt, von Louise Bourgeois genauer, so bekommt man einen ersten Eindruck von Gefangensein, Enge und Beklommenheit, allerdings auch von Schutz, Gegensätzlichkeiten und Innen-Außen-Kontrast.

Das Werk, das sich aus verschiedenen Materialien, wie Stahl, Tapisserie und Holz zusammensetzt, zählt zu Bourgeois bekannter Werkreihe „Cells“, die sie ab 1990 anfertigte. „Maman“ kombiniert eine dieser Zellen mit einer riesigen Spinne aus Stahl, welche auf der Zelle sitzt und ihre langen Beine um sie herum zu legen scheint. Die zylinderförmige Zelle, die aus rechteckigen Stahlrohrrahmen besteht, die teilweise mit Tapisseriefetzen versehen sind, beinhaltet einen Stuhl, der ebenfalls mit Tapisseriestücken überzogen ist und wie eine Art Thron wirkt, einen rechteckigen Spiegel und einen rechteckige Keilrahmen mit Leinwand, die an die Zelleninnenwand gelehnt sind. An der vermutlichen Vorderseite der Zelle steht eine Art Tür, die ein Stück weit geöffnet ist.

Louise Bourgeois - Maman

Louise Bourgeois – Maman

Auf dem Dach der Zelle sitzt eine riesige Spinne, deren Oberkörper in die Zelle eindringt und in einen Glaskörper gefasste und in Flüssigkeit eingelegte, an menschliche Organe erinnernde Gebilde, beinhaltet. Louise Bourgeois bedient sich bei dieser Arbeit der Technik des Sammelns und Aneinandersetzens von Gegenständen aus unterschiedlichen Materialklassen. Die Verbrauchsspuren und Verschleißungen der einzelnen gefundenen Gegenstände kamen der Künstlerin zugute und unterstützen einen aussagestarken Effekt.

Um „Maman“ verstehen zu können, muss man sich zunächst Bourgeois Kindheit vor Augen führen. Die 1911 in Paris geborene Tochter einer Weberin und eines Restaurateurs wuchs in schwierigen Verhältnissen auf. Der angenehmere Teil war das Schneidereiumfeld, die Atmosphäre in der Werkstatt, der Umgang mit Nadeln, Stoffen und Teppichen, bei denen sie schon früh Erfahrungen mit unterschiedlichen Materialien sammelte.

Der andere Part ihrer Kindheit ist der weit unangenehmere und bestimmt ihre Schaffensphasen noch wesentlich mehr. So war ihr Vater nicht gerade glücklich darüber, eine Tochter bekommen zu haben und ließ sie das auch deutlich spüren. Dies war der Auslöser für ihre ersten kleinen Kunstwerke, Figuren aus Brotstücken, die sie unter dem Tisch formte, während ihr Vater mit ihr schimpfte.

Die Zelle stellt genau dieses Gefangensein dar und symbolisiert zusätzlich den Kontrast zu ihrer Mutter, welche sie als die Spinne definiert, da diese ja Weberin war. Außerdem weiß man, dass ihre Mutter gleichzeitig ihre beste Freundin war, mit der sie ihre Probleme teilen konnte. Die Spinne zeigt somit auch den Ausbruch aus der Zelle und den Wunsch nach Freiheit.

Das Innere der Zelle kann man als Betrachter nur von außen entdecken, man wird zu einer Art Voyeur. Bourgeois will nicht, dass ihre Zellen betreten werden und installiert deshalb Spiegel, die einen genaueren Einblick erlauben und verschiedene Blickwinkel ermöglichen.

Der Stuhl kann einerseits dafür stehen, dass die Frau im Inneren des Hauses gefangen ist, da sie auf ihrem Stuhl zu sitzen bleiben hat und ihre Aufgaben als Hausfrau erledigen muss, andererseits aber auch für eine Art Thron, der dem Vater, dem „König des Hauses“ dient. Die Tappiseriestücke versinnbildlichen einen Mantel, den der „König Vater“ trägt.

Dass Bourgeois Mutter jemals aus dieser „Zelle“, also ihrem Gefangensein im Haus, ausbrechen konnte ist unwahrscheinlich, trotzdem setzt sie diese über die Zelle, weil ihre Mutter für sie viel stärker und menschlicher war, als ihr Vater, weshalb sie diesen auch nicht als lebendige Gestalt, sondern nur in Form von verarbeiteter Erinnerung darstellt.

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