Friedrich Schiller – Nänie: Analyse & Interpretation

1. Kurzbiographie Schiller

  • 1759 Geburt in Marbach am Necker
  • 1774 Jurastudium (Abbruch 1775) an der Militärakademie in Karlsschule in Stuttgart
  • 1775 Medizinstudium (Abschluss 1779) anschließend Militärarzt
  • 1782 Flucht aus Stuttgart, wegen Disput mit Landesherren
  • 1788 Professor für Geschichte an der Uni Jena, trifft Goethe in Rudolstadt
  • 1790 Heirat mit Charlotte von Lengenfeld
  • 1792 Schiller wird Ehrenbürger der französischen Republik
  • 1794 längerer Aufenthalt bei Goethe in Weimar, freundschaftliche Beziehung entsteht
  • 1799 Umzug nach Weimar, Entstehung des Gedichtes „Nänie“
  • 1805 Nach längerer schwerer Pneumonie stirbt Schiller am 9.05.1805 in Weimar

2. Formale Elemente

7 Distiche, 14 Verse

  • Distichon = Ein Verspaar aus Hexameter und Pentameter (Anwendung oft in Epigramm und Elegie)
  • Hexameter = Verszeile aus sechs Daktylen (-uu), mit Zäsur und verkürztem Versende (Trochäus [-u-u])
  • Pentameter = ein daktyler Vers der nur zusammen mit dem Hexameter vorkommt und mit ihm zusammen ein Distichon bildet.

Metrum

  • 7 Distichen
  • 1,3,5,7,9,11,13 Vers: Hexameter: -uu-uu-uu-uu-uu-u
  • 2,4,6, 8, 10, 12, 14 Vers: Pentameter: -uu-uu- / -uu-uu-

Kadenz

  • Erster Vers männlich (stumpf)
  • Zweiter Vers weiblich (klingend)
  • Danach alternierend

Kein Reimschema vorhanden
„Nänie“ ist eine Elegie (Von Römern als Klagelied verwendet, wurde in Klassik wiederaufgegriffen um Gefühle besser auszudrücken

3. Gedichtinterpretation

3.1 Inhalt
„Nänie“ (von lat. Nenia) ist ein Trauerlied oder ein Totenlied.

V. 1-2
Eingangs wird eine These aufgestellt „Auch das Schöne muss sterben!“ Schönheit hat Einfluss auf Menschen und Götter, aber nicht auf Hades. [Stygischer Zeus(Hades): Bewacher der Styx(= Grenzfluss für die Toten zur Unterwelt gelangen.)]

V. 3-4
Anspielung auf Sage um Orpheus und Eurydike. „Geschenk“ ist Eurydike.
(Orpheus darf, die an einem Schlangenbiss gestorbene Nymphe Eurydike, aus der Unterwelt zurückholen, dabei muss er Geige/Harfe spielen und darf sich dabei nicht nach Eurydike umblicken. Da er sich aber nicht bezähmen kann und zurückblickt, ist Eurydike für immer verloren.)

V. 5-6
Anspielung auf Aphrodites Liebe zu Adonis.
(Die Liebesgöttin Aphrodite, die in Liebe zu Adonis entbrannt war, konnte die Macht des Schattenreichs nicht brechen, als ein Eber den schönen Knaben zu Tode verletzte.)

V. 7-8
Anspielung auf das Buch Aithiopis in dem Achilles, der bedeutende Held stirbt.
(Die unsterbliche Thetis (Wassernymphe) die Mutter des Achill, konnte nicht verhindern, dass ein Pfeil des Paris Achill, den größten aller Helden, bei einem Ansturm auf das skäische(westliche) Tor Trojas tödlich traf.)

V. 9-10
Thetis klagt mit ihren Schwestern um Achilles.

V. 11-12
Wiederaufnahme des Grundthemas: „Das Schöne muss sterben“.
Sogar die Göttinnen und Götter stimmen in ihre Klage mit ein, stimmen gar eine allgemeine Klage an und betrauern die Vergänglichkeit des Schönen.

V. 13
Wird ausschließlich auf die Ästhetik, die Schönheit der Klage eingegangen.

V. 14
Das Alltägliche geht ohne Würdigung in die Unterwelt hinab.

3.2 Interpretation

Gegenstand des Gedichtes ist der Tod eines Abstraktums, des Schönen an sich.
Die Behauptung „Das schöne muss sterben“ wird mit drei Beispielen für Schönheit, aus der griechischen Mythologie, belegt.

V. 1
Hebt zum einen hohen Wert des Themas heraus. Zum anderen ist Tod des Schönen Voraussetzung für ihren Sieg über Menschen und Götter.

V. 3-4
Orpheus und Eurydike stehen für die Schönheit der Liebe, die Hades fast erweicht hätte.
Schiller wandelt den Mythos ab indem er das Versagen Orpheus ignoriert und die Strenge des Totengottes beton, um die Gesetzmäßigkeit der Ausgansthese zu unterstreichen.

V. 5-6
Es handelt von Aphrodite und Adonis.
Sie repräsentieren die körperliche Schönheit, die ebenfalls sterblich ist.

V. 7-8
Achill wurde als äußerst schön beschrieben. Dieser Begriff ist jedoch weitgefasst und bezieht sich auch auf seine Tugenden (insb. Tapferkeit).

V. 9-12
Einleitender Partikel „Aber“: Aufteilung Gedicht in zwei Hälften
Zum einen Bezug auf trauernde Mutter (Thetis).
Klage der Götter über den Verlust Achills, weniger als Einzelschicksal betrauert, sondern mit dem Verlust von Schönheit und Vollkommenheit gleichgesetzt.

V. 13-14
Zum anderen Einleitung Antithese zu Anfangsbehauptung:
„Auch ein Klagelied zu sein im Mund der Geliebten, ist herrlich“.
Dadurch, dass ausschließlich auf die Schönheit der Klage eingegangen wird, wird diese gerade im Klagelied wieder zum Leben erweckt.
Aber „das Gemeine“, das einer Nänie nicht Würdige, geht ohne Beachtung zu Grunde.

Geliebtwerden macht schön. In dieser Macht der Liebe lebt die Schönheit weiter, sie kann aber erst empfunden werden, wenn es vergangen ist und die Erinnerung daran ewig währt.

Das Gedicht ist Ausdruck des von den Klassikern bewunderten Erhabenen, der Grazie der Antike.

„Nänie“ ist weniger eine Klage, mehr ein Text über Verlust der antiken Schönheit und Möglichkeit dieses Gefühl wiederzubeleben.

Die Klagelieder über Verlust der mustergültigen Beispiele der Schönheit in der Antike bringen das Schöne wieder zurück in die Welt, indem sie das Leiden ästhetisieren.

Das Gedicht ist weniger ein Klagelied über den Verlust der Schönheit als ein selbstreflektierter Text über die Schönheit von Klageliedern.
Erst in der Widerspiegelung seines Verlusts erhält das Schöne seinen Wert.

Antike Ästhetik ist für uns nicht greifbar, wirkt aber durch aufwendige Form des Gedichts (Distichen) und Motive weiter.

3.3 Sprachliche Besonderheiten

Stilmittel Nachweis Wirkung
(unterbrochene) Alliteration V. 1 „Schöne(…)sterben“

V. 4„Schwelle(…)streng“

Betonung Leitthema „Das Schöne muss sterben“.
Parallelismus(der Anfangswendungen)- Inversion V. 2 „Nicht rührt“

V. 5 „Nicht stillt“

V. 7 „Nicht errettet“

Jedes Mal wird die Verneinung der (scheinbar) erwünschten unsterblichen Schönheit durch Inversion in den Vordergrund gestellt wird.
Apostrophe V. 11 „Siehe!“ Forderung der Aufmerksamkeit, man soll die Klage auf sich wirken lassen, man soll sich sogar mit ihr identifizieren.
Parallelismus V. 11 „Da weinen […]Göttinnen alle“

V. 12 „Dass das Schöne […] stirbt“

Betonung der Intensität der Klage über den Verlust.

 

Antithese V. 1 „Das Schöne muss sterben“

V. 13 „Klagelied zu sein […] ist herrlich“

Es wird auf die Schönheit der Klage eingegangen, welche gerade im Klagelied wieder zum Leben erweckt wird.
Personifikation V. 1 „Schöne muss sterben“

V.  12 „Vollkommene stirbt“

V. 14 „Gemeine geht klanglos […] hinab“

Hervorhebung der Vergänglichkeit von Schönheit, sie wird jedoch nicht vergessen wie das Alltägliches, worüber kein Wort mehr verloren wird.
Metonymie V. 2 „Stygischer Zeus“

V. 4 „Schwelle“

V. 4 „Geschenk“

V. 5 „schöner Knabe“

V. 7 „göttlicher Held“

V. 14 „Orkus“

Verdeutlichung des Schönen und des Todes.

3.4 Einordnung in die Epoche der Klassik

Merkmale:

  • Werke der Antike als Vorbild
  • Ästhetische Erziehung (z. B. Ausdrucksfähigkeit der Gefühle)
  • Mensch und Natur sind im Einklang
  • Menschliche Toleranz

4. Literaturangaben

Albert Meier, Klassik-Romantik, Stuttgart 2008, S. 169 ff.
Franz Suppanz, Erläuterungen und Dokumente – Friedrich Schiller 10 Gedichte, Stuttgart 2008, S. 189 ff.
Eberhard Hermes, Abiturwissen Deutsch, Stuttgart 2004, S. 38, S. 75, S. 115

http://www.friedrich-von-schiller.de/zeittafel.htm abgerufen am 03.03.2014
http://www.rhetoriksturm.de/friedrich-schiller.php abgerufen am 03.03.2014
http://www.school-schout.de abgerufen am 06.03.2014
http://www.digitale-schule-bayern.de/dsdaten/17/701.pdf abgerufen am 06.03.2014

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