Kindesmisshandlung: Ursache + Zahlen + Daten (Referat)

In den Medien hört man immer mehr von fremden Kindermördern, die ihre Opfer brutal misshandeln, doch es sind weniger als 5 Prozent der getöteten Kinder, die diesen zum Opfer fallen. Offiziell werden in Deutschland pro Jahr etwa 100 Kinder zu Tode misshandelt, von denen die meisten unter vier Jahre alt sind. Gerichtsmediziner gehen jedoch von mehr Opfern aus, denn oft ist einem getöteten Baby von außen gar nichts anzusehen und nur jedes zweite wird obduziert. Inzwischen ist bekannt, dass fast alle getöteten Kinder im Kreise der Familie umgebracht werden, so droht einem Kind die größte Gefahr von seinen Eltern. 2003 wurden in Deutschland 4168 Misshandlungs- und Vernachlässigungsfälle polizeilich bekannt, aber die Dunkelziffer soll über 90 Prozent ausmachen.

„Wenn in Nordamerika ein Vater von Kindern unter zwei Jahren nicht mehr zu Hause lebt und ein nicht verwandter Mann oder Stiefvater seinen Platz einnimmt, steigt die Wahrscheinlichkeit um das 70-fache, dass die Kinder getötet werden“. Der Täter ist bei über 50 Prozent aller aktiv zu Tode misshandelten Kinder identisch mit dem neuen Lebensgefährten der Mutter. Manchmal werden die Taten sogar von den Müttern der Kinder unterstützt. 70 Prozent der Kindesmisshandler waren früher selbst Opfer von Gewalt oder sozialer Kälte. Sie wurden selbst misshandelt und vernachlässigt und wuchsen zeitweise in Pflegefamilien auf.

Ganze fünf Tage überlebt ein Baby bei totalem Nahrungs- und Flüssigkeitsentzug, doch weil viele vernachlässigte Kinder hin und wieder ein wenig zu essen bekommen, registriert die Lübecker Kinderärztin Thyen eine wachsende Zahl verwahrloster und ausgemergelter Kinder in ihrer Klinik. Die Kinder sterben dann oft an Infektionen, gegen die sich der geschwächte Körper nicht mehr wehren kann.

Die Rechtsmedizin Hamburg stellte in einer Untersuchung fest, dass von 132 Vernachlässigungsfällen 60 Prozent der Kinder unter drei Jahre alt waren und fast zwei Drittel männlich. Fast die Hälfte der Elternpaare lebten getrennt, in Scheidung oder waren geschieden. Einem erlernten Beruf gingen nur 17 Prozent der Täter nach, 50 Prozent waren justizbekannt. In 70 Prozent der Fälle gab es nur ein oder zwei Kinder in der Familie. 38 Prozent der Wohnungen der Familien waren völlig unbewohnbar. Heute leben eine Million Kinder von der Sozialhilfe.

Bei einer anderen Untersuchung wegen Kindesvernachlässigung mit tödlichem Ausgang stellte die Rechtsmedizin Hamburg fest, dass nur in 5 von 47 Fällen die Not der Familien irgendwelchen Behörden bekannt war. Von den 47 Kindern waren nur 12 schon einmal in ihrem Leben beim Arzt gewesen, 3 davon sogar kurz vor ihrem Tod. Die Ärzte hatten jedoch nichts vom finalen Zustand der misshandelten Kinder bemerkt.

Im Rechtsmedizinischen Institut Münster kam bei einer Untersuchung heraus, dass mindestens ein, meistens mehrere Ärzte bei fast 100 Prozent der dort obduzierten tödlichen Kindesmisshandlungen bereits im Vorfeld mit Verletzungen des Kindes konfrontiert worden waren, doch keiner von ihnen hat die Misshandlung entweder erkannt oder etwas dagegen unternommen.

Die Hauptstadt Berlin ist deutsche Spitzenreiterin bei Delikten von Kindesmisshandlungen. Die Zahl der Anzeigen hat sich hier in den letzten zehn Jahren verdoppelt. 2004 wurden 653 Misshandlungen und Vernachlässigungen von Kindern angezeigt. Aber auch im übrigen Bundesgebiet steigen die Zahlen weiterhin an.

Ursache: Begründung, wie es zur Kindesmisshandlung kommt

Der Verhaltensforscher Irenäus Eibel-Eibesfeld meinte einmal, dass sich die untereinander verfeindete Menschheit doch mindestens über das Naturgesetz des Welpenschutzes einig sei: Kleinen Kindern tut man nichts! Und doch gibt es das Phänomen der Kindesmisshandlung, und das durchaus nicht nur bei psychisch Kranken. Warum schlagen so viele Väter und Mütter ihre Kinder und lassen sie einfach liegen, bis ihr kleiner geschwächter und verletzter Körper aufgibt, sie sterben? Warum versagt bei den Eltern die Steuerung und die Kontrolle gegenüber ihren Kindern? Und warum kennt ihre menschliche Fantasie keine Grenzen, wenn es darum geht, ihren Kindern Leid anzutun?

In den Akten der Rechtsmedizin Hamburg waren die Lebensgeschichten der versagenden Eltern beschrieben: Heimkinder, Alkoholikerkinder, ungewollte Kinder aus instabilen Partnerschaften, misshandelte und vernachlässigte Kinder, und zeitweise wuchsen sie in Pflegefamilien auf. Somit ging es ihnen nicht besser als den eigenen Kindern. Meist sind beide Elternteile durch die eigenen schweren Kindheitserlebnisse gescheiterte Existenzen. Sie sind schwer drogensüchtig, oft auf Entzug, leben bereits in der dritten Generation von Sozialhilfe und sitzen den ganzen Tag vor dem Fernseher oder sind wegen diverser Gewaltdelikte im Gefängnis. Die Existenz der Kinder stört die Eltern oft von Anfang an. Sie würden immer nerven, sich um sie zu kümmern ist den Eltern zu stressig oder die Kinder werden nicht als Aufgabe, sondern als Mitbewohner in dienender Funktion gesehen. Die Kinder haben nicht selten die schlechtesten Zimmer und stehen am Ende der Hackordnung.

Kindesmisshandlung ist jedoch kein Unterschichtenphänomen, sondern wird dort nur häufiger registriert. Materielle Armut gilt nicht unbedingt als Ursache für Kindesmisshandlung oder Kindesvernachlässigung. Armut und Kindesmisshandlung haben vielmehr oft eine gemeinsame Ursache: die soziale Verkrüppelung der Eltern. Schlechte Bildung ohne Abschluss und berufliche Perspektive, Zerfall sozialer Bindungen, menschenfeindliche Behausungen, Alkoholismus und wirtschaftliche Nöte. Der Vater ist gewalttätig und zeigt ein ausgeprägtes Herr-im-Haus-Syndrom, die Mutter verheimlicht vor ihrem Mann die zweite oder dritte Schwangerschaft. Nach der Geburt des Kindes steigert der Mann die Brutalität gegen seine Frau, die daraufhin mehrere Suizidversuche begeht. Die Mutter nimmt oft den Untergang des Kindes wahr – denn meist ist es das jüngste Kind – kann sich jedoch nicht dazu aufraffen, etwas dagegen zu unternehmen.

So bleibt auch für das Kind einer alleinerziehenden Mutter oft keine Kraft mehr, die im Hochhausghetto an der sechsspurigen Schnellstraße wohnt, einen alkoholkranken Bekannten hat und von Sozialhilfe lebt. Ihr bleiben Auswege, sich durch einen Urlaub oder einem Kindermädchen zu entlasten, verschlossen. Es ist allerdings meist der neue Lebensgefährte der Mutter, der das Kind aktiv zu Tode misshandelt. Die Frauen dulden – meistens betrunken – die Quälereien des Kindes, manchmal unterstützen sie ihn sogar. Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung haben ihre Wurzeln auch in früheren Archaismen: in der Ablehnung eines Stiefvaters, Kraft und Energie in ein (auch genetisch) fremdes, abhängiges, zugleich aber unersättliches und forderndes Junges zu investieren. Und in der Weigerung der Mutter, dieses chancenlose Kind entgegen den neuen Machtverhältnissen weiter zu hüten. Solch tief verwurzelte Aversionen wirkten als heimliche Kraft unter dem Firnis von Humanität und Zivilisation fort. Bei den Stiefvätern kommt jedoch oft als zusätzlicher Risikofaktor der Zustand innerer Unreife hinzu. Sie empfinden keinen Respekt vor den Bedürfnissen von Kindern, weil sie selbst in der Versorgungsanspruchshaltung stecken geblieben sind. Sie haben einen unterentwickelten Charakter und treten oft in ein regelrechtes Konkurrenzverhältnis zum Kind. Sie verübeln es dem Kind, dass sie Liebe, Zeit und Aufmerksamkeit der Mutter mit ihm teilen müssen, und sind nicht in der Lage, ihre Eifersucht zu rationalisieren. Bei weiteren Gefährdungspotenzialen, wie eine dissoziale Persönlichkeit, hohe Reizbarkeit und eine krankhafte Unfähigkeit, eigene Affekte zu beherrschen und Mitleid zu zeigen, ist eine klassische Hochrisikolage geschaffen. Zudem verkörpern Mütter manchmal den auf den Kopf gestellten Muttermythos: Nicht sie opfern sich für ihr Kind, sondern sie Opfern ihr Kind zum eigenen Nutzen.

Eine Mutter, die ihr Kind misshandelt oder vernachlässigt, hat grundsätzlich eine tief gestörte Beziehung zu ihrem Kind. Die Störung kann auf unterschiedlichen Ursachen beruhen, ihre Wurzel ist aber ganz am Anfang der Mutter-Kind-Beziehung zu suchen. Es können keine oder nur schwache Bindungen zum Kind wachsen, wenn die Herstellung der Mutter-Kind-Beziehung gestört wird. Die Mutter entwickelt dann kein Gefühl für Leid und Not ihres Kindes. Zu Entfremdung und damit zu Gewalt gegen das Kind kann es kommen, wenn eine Mutter sich von ihrem Kind abgelehnt fühlt. Das ist eine der schlimmsten narzisstischen Kränkungen, die man sich vorstellen kann. Die Misshandlungs- und Vernachlässigungsgefahr ist auch bei Frühgeburten erhöht durch die frühzeitige Trennung von Mutter und Kind, weil das Kind krank geboren wird und lange auf der Intensivstation liegen muss. Ungewollte Kinder, denen die Mutter die Schuld an ihrem verpfuschten Leben zuschieben, sind außerdem sehr bedroht. Oft erkennen sogar Ärzte die Zeichen von Gewalt oder Vernachlässigung am kindlichen Körper nicht oder verschließen vielmehr die Augen davor. Fehldiagnosen, Behördenscheu, lückenhafte Rechtskenntnisse und mangelhafte sozialmedizinische Verantwortung von Ärzten tragen bei Kindesmisshandlung zu der hohen Dunkelziffer bei. Die betroffenen Familien sind nur selten den Einrichtungen des sozialen Netzes bekannt. Mit wachsendem Wohlstand und der aufkommenden Liberalisierung verzichtete der Staat auf die Kontrolle der Familien. Eltern können so ihre Kinder regelrecht verschwinden lassen, indem sie sich der sozialen Gemeinschaft entziehen, es ihnen aber gleichzeitig gelingt, nach außen hin einen einigermaßen unverdächtigen Eindruck zu machen. Ein Kind aus seiner biologischen Familie herauszunehmen gilt als Ultimo Ratio. Die übelste Familie sei immer noch besser als ein Kinderheim oder eine Pflegefamilie, meinen die Jugendbehörden. Eltern zu zwingen, ihre Kinder regelmäßig einem Arzt vorzustellen, greife unvertretbar in deren Freiheitsrechte ein. Für sie geht der Schutz der Privatsphäre allein auf Kosten der Kleinsten. Wer ein Auto fährt, muss einen Führerschein haben und den Wagen alle zwei Jahre einem Kontrolleur vorzeigen – wer ein Kind hat, muss nichts davon verstehen und kann mit ihm machen, was er will.

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