Geschichte
In Cardiff, der heutigen Hauptstadt von Wales, entwickelte sich erst im frühen 19. Jahrhundert ein wichtiger Kohleexporthafen, nachdem die Stadt mit den nördlich gelegenen Kohlegruben durch einen Kanal verbunden wurde. Seinen Höhepunkt erreichte der Hafen 1913 mit einem Hafenumschlag von 13,7 Millionen Tonnen, wovon 80% auf den Kohlenexport entfielen (vgl. NEUMANN 1997, S.136). Das Hafenviertel („Tiger Bay“ oder auch „Butetown“) entwickelte sich südlich des Hauptbahnhofs, wo sich Seeleute aus aller Welt niederließen. Heute leben dort 2000 Menschen, wobei der Anteil an ethnischen Minoritätengruppen immer noch hoch ist. Der Niedergang des Hafens begann nach dem Zweiten Weltkrieg und manifestierte sich mit völliger Aufgabe des Kohleexports 1963. Dadurch waren Mitte der 1980er Jahre 50% der männlichen Einwohner Butetowns arbeitslos. Ein Sanierungskonzept wurde erst viele Jahre nach Einstellung des Kohleexports entwickelt. 1978 wurde er erarbeitet, nachdem zusätzlich 4000 Arbeitsplätze im Hafengebiet verloren gingen, durch die Stilllegung eines Stahlwerkes, welches einer der wichtigsten industriellen Arbeitgeber des Hafengebietes war.
Revitalisierung
Im Zuge der Revitalisierung wird die Deindustrialisierung des Hafengebiets auch in Cardiff durch die Sanierungsmaßnahmen unterstützt. „Während die Stadt […] für ein Sanierungskonzept eintrat, das die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit vorhandener Industrieunternehmen gegenüber einem Funktionswandel des Hafengebietes bevorzugte, änderte die Grafschaft South Glamorgan in den frühen [19]80er Jahren […] ihre Planungsstrategie zugunsten der investitionsorientierten Strukturanpassung.“ (NEUMANN 1997, S.137) Unter dem Namen „Atlantic Wharf“ wurde 1984 das Dockgebiet der East Bute Docks umgestaltet, durch die Ansiedlung von Bürogebäuden, Einzelhandelsunternehmen, Eigentumswohnungen und Freizeitnutzungen. Dafür musste zur, Bereitstellung der Flächen, ein im Hafenbereich liegendes Kleingewerbegebiet mit 300 Arbeitsplätzen aufgegeben werden. 1986 begann man mit der Planung eines Sperrwerks zum Abschluss der Cardiff Bay gegenüber dem Bristol Channel. Ziel war es, die in die Bucht einmündenden Flüsse Ely und Taff zu einem Süßwassersee aufzustauen, bei gleichbleibendem Wasserstand. So sollte die Standortattraktivität des Hafengebiets gesteigert werden, da ein See mit 200ha Wasserfläche und 14km Uferlänge entstehen würde. Obwohl die Umwandlung einer Meeresbucht in einen Süßwassersee erhebliche ökologische Folgen mit sich bringt, da sie zur Vernichtung der bisherigen Meeresflora und -fauna führt, wurde das Projekt schließlich 1994 begonnen (vgl. NEUMANN 1997, S.138).
Das größte Ziel der Revitalisierungsmaßnahmen in Cardiff war die Imageaufwertung des Hafengebietes zur Steigerung der Standortattraktivität im Wettbewerb um Kapital. Dazu gehörte auch die Vermarktung Cardiffs als unternehmerische Stadt im interurbanen Konkurrenzkampf. Dabei wurde gezielt Platz für neue Investitionen geschaffen. Zur Stärkung der funktionalen und räumlichen Verflechtung zwischen Stadtzentrum und Waterfront wurde die Bute Street, die die Bay und das Zentrum verbindet, als Prachtboulevard ausgebaut.
Auch in Cardiff bleibt durch die Ansiedlung von Firmen mit hohen Qualifikationsanforderungen die lokale Arbeitsbevölkerung auf der Strecke. „Da man die Modernisierung vorhandener Industrieunternehmen dabei nicht mehr vorrangig fördert, wird die „investitionsorientierte Strukturanpassung“ nicht zur Entstehung neuer Arbeitsplätze für die Anliegerbevölkerung des Hafengebiets führen.“ (NEUMANN 1997, S.138)
Für die Bewohner Bute Towns bestand also nicht nur die Gefahr, dauerhaft in der Arbeitslosigkeit zu versinken, da die Stadtentwicklung keine für sie qualifikationsaffine Industrie in den Hafen ansiedeln ließ. Außerdem bestand und besteht die Gefahr, dass die Bevölkerung durch Gentrifizierungsprozesse aus ihrem Wohngebiet verdrängt werden. Grund dafür sind mögliche Preissteigerungen des Wohnraums durch die stärkere Verflechtung des Stadtzentrums mit dem Uferbereich. Ähnlich wie in Liverpool wurde auch in Cardiff nicht wirklich Rücksicht auf die im Hafengebiet ansässige Bevölkerung genommen. Hauptsächlich ging es um Aufwertung des Images und die Ansiedlung von hochrangigen Dienstleistungsfunktionen und -unternehmen. Die Hafenbewohner konnten keinerlei Einfluss nehmen und profitieren ihrerseits auch nicht wirklich von den Sanierungsmaßnahmen.