In diesem Referat geht es um die meistdiskutierte Methode des Unterrichts, dem Projektunterricht. Er ist auch bekannt als Projektmethode, Projektarbeit und Projektlernen und wird vor allem in besonderen Projektwochen und Projekttagen der Schulen verwirklicht. Der Projektunterricht ist eine Unterform des handlungsorientierten Lernens. Er ist eine gute Methode, um intrinsische Motivation zu fördern, selbständiges Denken zu entwickeln, erworbenes Wissen anzuwenden, Selbst-bewusstsein zu erzeugen und soziale Verantwortung einzuüben. Diese Ziele sollen erreicht werden, indem die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Interessen und Vorstellungen einbringen sowie die Themen und Probleme der natürlichen und auch gesellschaftlichen Umwelt eigenständig bearbeiten. Projekte in jeglichen Klassenstufen sind produkt- und öffentlichkeitsorientiert. Zudem sind sie nicht an enge Fächergrenzen gebunden. Definieren kann man die Projektmethode demnach als eine Methode des praktischen Problemlösens, die den Schülerinnen und Schülern im größeren Umfang eigenständiges und konstruktives Arbeiten abverlangt.
1. Drei Merkmale des Projektunterrichts
Das Projekt zeichnet sich besonders durch die drei Merkmale Schülerorientierung, Wirklichkeitsorientierung und Produktorientierung aus:
Schülerorientierung:
Die Schülerinnen und Schüler haben weite Entscheidungs- und Handlungsspielräume, damit sie ihre Interessen, Vorstellungen und Erfahrungen einbringen können. Damit werden sie zu Subjekten ihres Lernprozesses. Sie können sich besser mit ihrer Arbeit identifizieren und so einen nachhaltigen Lernerfolg erzielen.
Wirklichkeitsorientierung:
Mit komplexen Gegenständen und Problemen setzen sich die Schüler im Projekt handelnd auseinander. Dadurch wirken sie mit ihrer Arbeit in einer vorstellenden, aufklärenden oder verändernden Form auf das Leben zurück. Der systematische, theoretische und fachgebundene Unterricht tritt in den Hintergrund für das situative, praktische und ganzheitliche Lernen.
Produktorientierung:
Ziel eines Projekts ist ein konkretes Produkt, für dessen Erarbeitung eine längere Zeit in Anspruch genommen wird. Es schließt mit einem vorweisbaren, dauerhaften und öffentlich zu präsentierenden Ergebnis ab und unterscheidet sich damit von anderen Formen handlungsorientierten Lernens, wie z.B. Experiment, Praktikum und Rollenspiel.
Von einigen wird der Projektunterricht als abwechslungsreiche und gute Alternative zum lehrerzentrierten Unterricht angesehen. Für sie ist nicht die Produktorientierung entscheidendes Merkmal des Lernens am Projekt, sondern die Schülerorientierung. Es gibt jedoch zwei Probleme:
– der Projektbegriff wird zum Oberbegriff aller möglichen Methoden offenen Unterrichts
– die subjektiven Interessen der Schülerinnen und Schüler erhöhen den bloßen Aktionismus und verringern die Wahrscheinlichkeit des kontinuierlichen Lernens.
2. Geschichte des Projektunterrichts
Der Ursprung und die Geschichte lässt sich in fünf Phasen unterteilen:
1590-1765 erste Anfänge der Projektarbeit an den neuen Schulen für Architektur in Italien und Frankreich
1765-1880 das Projekt als reguläre Unterrichtsmethode an den kontinentaleuropäischen und nordamerikanischen Bauakademien und Technischen Hochschulen
1880-1915 Verlagerung des technischen Werkens vom College auf die High und Elementary School, parallel dazu Einführung der Projektarbeit; Übertragung auf den landwirtschaftlichen und naturwissenschaftlichen Unterricht
1915-1935 Neudefinition der Projektmethode durch Kilpatrick und ihre weltweite Verbreitung; in Amerika bald allgemeine Ablehnung des Kilpatrickschen Projektbegriffs
1965-heute Wiederentdeckung der Projektmethode in Westeuropa, dritte Welle ihrer internationalen Wirksamkeit
Die Projektarbeit ist traditionell ein Produkt der amerikanischen Erziehungsbewegung. Sie wurde um 1900 als Methode des Werkunterrichts erfunden. Als sie von William H. Kilpatrick um 1915 wegen ihrer besonderen Förderung von Freiheit und Selbstbestimmung als die einzig passende Unterrichtsmethode in einer demokratischen Gesellschaft bezeichnet wurde, erhielt die Projektmethode eine neue Bedeutung. Außerdem definierte er sie als „herzhaftes absichtsvolles Tun“ aufgrund ihrer besonderen Förderung von Motivation und Lernbereitschaft. Dies wurde jedoch von John Dewey kritisiert, da er die Projektarbeit nicht mit den dauerhaften, sondern mit den momentanen Interessen verband.
Das Projekt hat historisch und systematisch gesehen seinen Ursprung in der Akademisierung und Professionalisierung eines spezifischen Berufs. Es wurden Projektmethoden an Schulen und Hochschulen eingeführt, damit die Schüler und Studenten rechtzeitig lernten, selbstständig umfangreichere Aufgaben ihrer Lebens- und Berufswirklichkeit theoretisch und auch praktisch zu lösen.
3. Kriterien als Grundlage von Methodenorientierung
Um sich bei den vielen Methoden orientieren zu können, werden die für die Projektarbeit relevanten Methodenbereiche genauer bestimmt. Es werden sieben wesentliche Projektkriterien dargestellt :
Ausgangspunkte
Gesellschaftsbezug: Das Projekt soll an reale, gesellschaftlich relevante Probleme und Bedürfnisse anknüpfen.
Lebenspraxisbezug: Das Projekt soll sich an den Lebens- und Berufsinteressen von Lernenden und Lehrenden orientieren.
Arbeitsformen
Selbstbestimmtes Lernen: Zentrale Ziele für selbstbestimmtes Lernen sind Mitbestimmung bei der Planung und Durchführung sowie soziales Lernen durch Veränderung der Lehrer-Schüler-Rollen. Experte ist nicht mehr nur der Lehrer, sondern auch Lernende. Die Projektgruppe ist entscheidend für den Lernprozess.
Ganzheitliches Arbeiten: Es soll nicht einseitige Kopfarbeit herrschen. Lernen mit allen Sinnen, mit „Kopf, Herz und Hand“ (Pestalozzi), kreatives, rezeptives, produktives und affektives Handeln sollen verbunden werden.
Fächerübergreifendes Arbeiten: Um Probleme und Themen der ungefächerten Realität angemessen zu bearbeiten, sollen die Projekte Methoden, Inhalte sowie Perspektiven verschiedener Fächer integrieren.
Zielhorizonte
Produktorientierung: Da im Unterricht häufig für die Note gearbeitet wird, kann die Projektarbeit dies durch ihre Produktorientierung aufheben. Dies funktioniert vor allem, wenn es um ein Produkt mit einem Gebrauchs- und Mitteilungswert für andere geht.
Kommunikative Vermittlung: Da die Präsentation und Vermittlung des Produkts nach außen zu einem Projekt gehört, kommt das Produkt in der Kommunikation mit einer begrenzten Öffentlichkeit richtig zur Geltung. Um den Ernstcharakter der Projektarbeit zu erhöhen, ist je nach Projekt und Schulstufe eine Öffnung der Schule anzustreben.
4. Das lineare und das integrative Modell
Beim Projektunterricht lassen sich zwei Grundformen unterscheiden: das lineare und das integrative Modell.
Das lineare Modell:
Es wurde um 1880 in der amerikanischen High School eingeführt und richtet sich nach dem alten didaktischen Prinzip: Unterricht muss schrittweise vom Einfachen zum Komplexen fortschreiten, um erfolgreich zu sein. Außerdem hat es zwei Phasen. In der ersten Instruktionsphase lernen die Schülerinnen und Schüler grundlegende Kenntnisse und Fertigkeiten. In der zweiten Konstruktionsphase wenden die Schüler dann das erworbene Wissen und Können selbst an. Dies geschieht, indem sie ein größeres Arbeitsvorhaben eigenständig auswählen, planen und durchführen.
Das integrative Modell:
Dies wurde um 1900 an der amerikanischen Elementary School entwickelt und richtet sich mehr an das natürliche, ganzheitliche Lernen. Es besteht aus drei wesentlichen Phasen. Als erstes erfolgt die Projektinitiative, in der Schüler und Lehrer sich für ein bestimmtes Thema oder Problem entscheiden. Gemeinsam überlegen sie, welches Wissen und Können sie für die Durchführung benötigen. In der zweiten Vorbereitungsphase lernen die Schüler durch Kurse, Recherchen, Erkundungen usw. die Kenntnisse und Fähigkeiten, die sie für die Erarbeitung des Projekts benötigen. Danach folgt die Detailplanung und Durchführung. Dabei präzisieren die Schüler die Projektidee und setzen sie selbstständig in die Wirklichkeit um.
Das integrative Modell ist mit seiner grundständigen Situations- und Kontextbezogenheit lebensnäher und erscheint daher motivierender sowie verständlicher.
Das in Deutschland bislang kaum beachtete lineare Modell dagegen ist durch seine klarere Struktur, geringere Komplexität und kürzere Dauer leichter organisierbar. Zudem kann sich der Lehrer in der zweiten, eigentlichen Projektphase zurückziehen, seine Beraterrolle einnehmen und die Schüler weitgehend allein arbeiten lassen.
5. Veränderungspotentiale von Projekten in der Schule
Es werden Veränderungsmöglichkeiten in drei Dimensionen genannt, die durch Projekte in der Schule erreicht werden können: Wahrnehmung (Interpretation), Handlung, (Selbst)Erfahrung.
Wahrnehmung, Erfahrung und Lernen lassen sich nicht voneinander trennen. „Lernen und Wahrnehmen wirken in beiden Richtungen aufeinander. Einerseits gibt es Veränderungen des Wahrnehmungsverhaltens durch Erfahrung, andererseits bestimmt die Art der Wahrnehmung das Lernen“. Wahrnehmung ist beim Lernen immer konstitutiv, vor allem, wenn darunter nicht nur visuelle oder auditive Wahrnehmung verstanden wird und Wahrnehmung als Rationalität erzeugendes, komplexes und aktives Verhalten verstanden wird. Auch Erfahrung hängt unmittelbar mit Lernen zusammen. „Erfahrungen werden ständig gemacht, denn die Interaktion von lebendigem Geschöpf und Umwelt ist Teil des eigentlichen Lebensprozesses“. So lässt sich auch beschreiben, was Lehren in Institutionen wie der Schule ist. Lehren ist die Inszenierung von Situationen, in denen günstige Bedingungen für Erfahrungen bestehen und zwar für relevante Erfahrungen im Bezug auf Sachen und relevant für die handelnden Personen. Man kann auch sagen, dass Situationen erfahrungsrelevant sind, in denen Defizite bestehen. Dabei gehen neue Erfahrungen schon von gemachten Erfahrungen aus. Lernen aus Erfahrung ist damit oft ein Umlernen.
Es wird über ein Projekt von Schülern berichtet, das durch Erfahrungen bestimmt ist und zu neuen, aber ungewissen Erfahrungen führt:
„…Schon lange sind wir mit unserer Schulordnung unzufrieden. Unser Rektor hat uns aufgefordert, einen Gegenvorschlag vorzulegen, der in den Klassen, im Lehrerkollegium und in der Schulkonferenz diskutiert werden kann. Wir haben die Projektwoche dazu benützt, die Schulordnungen auch von anderen Schulen anzuschauen, haben aber dabei wenig Übernehmenswertes gefunden. Unser Lehrer hat uns auch das Schulgesetz gegeben. Jetzt haben wir eine Umfrage unter Schülern, Lehrern und Eltern gestartet, die wir noch auswerten müssen. Wir hoffen, dass wir eine Lösung finden, glauben aber nicht, dass wir alle Wünsche durchsetzen können…“.
In diesem Textausschnitt wird viel von der Struktur eines Erfahrungsprozesses deutlich. Zentraler Ausgangspunkt ist eine Defiziterfahrung mit dem Ziel, etwas zu verändern. Der Blick in andere Schulordnungen wird mit der eigenen Schulordnung und den dafür erdachten Lösungsvorschlägen konfrontiert. Eine Umfrage ermöglicht, die eigenen Erfahrungen mit den Erfahrungen der Interaktionspartner zu vergleichen. Die Skepsis des Schlusssatzes beruht auf bereits gemachten Erfahrungen, dass dennoch die Schülerinnen und Schüler weiter an dem Projekt arbeiten zeigt ihre Offenheit für neue Erfahrungen. Zuzustimmen ist somit der Formulierung: „Erfahrung erscheint als dasjenige, von woher überhaupt etwas lernbar ist, als Voraussetzung allen Lernens…“.
In dem Beispiel lassen sich zudem weitere Aspekte nennen. Die Schulordnung ist zwar das ‚materiale‘ Produkt, aber das eigentliche Produkt ist der Plan der Schüler, nämlich „ein Stück Wirklichkeit für sich und ihre Mitschüler positiv zu beeinflussen“. Handeln meint in dem Beispiel, bezogen auf die angestrebte Wirkung, lesen, vergleichen, diskutieren, aufschreiben, gegenlesen, Formulierungen erproben und auswerten.
Das Beispiel sollte zeigen, „wie viel unterrichtlich relevante Prozesse sich in einem Projekt abspielen und wie dringlich zu wünschen ist, dass viele Lerntätigkeiten aus Projekten in jeglichen Unterricht übergehen“.
Von Lehrerinnen und Lehrern wird didaktische Kompetenz in projektorientierten Lernprozessen gefordert, weil nur so die Freiräume der Schüler vor Beliebigkeit und vor Problem-vermeidungsstrategien geschützt werden können. Für die Antizipation von Situationen, für die Moderation des Planens, Denkens und Handelns ist Kompetenz aller notwendig.
6. Untersuchungen
Zur Projektmethode gibt es nur wenige empirische Untersuchungen. Die einzelnen wissenschaftlich ernstzunehmenden Untersuchungen widersprechen zudem in vieler Hinsicht den Praxisberichten und theoretischen Abhandlungen der Pädagogen.
Es werden drei Ergebnisse aus verschiedenen Lehrer- und Schülerbefragungen dargestellt.
Im Schulalltag findet Projektarbeit eher selten statt. Nur zehn Prozent der befragten Lehrer führen gelegentlich Projektunterricht durch. Außerdem wird geschätzt, dass der Anteil des Projektlernens an der gesamten Unterrichtszeit bei nur 0,5 Prozent liegt.
Es unterscheiden sich die Lehrer, die Projekte durchführen, von den anderen Lehrern, denn sie setzen eine größere Vielfalt von Methoden und Medien ein, arbeiten enger mit ihren Kollegen zusammen und sind mit ihrem Beruf zufriedener.
Bei den Schülern ist die Projektarbeit aufgrund von Abwechslung, freier Kommunikation und verminderter Dominanz des Lehrers einerseits beliebt, andererseits würde nur ein Sechstel der projekterfahrenen Schüler eine Wiederholung erfreuen.
Die Ergebnisse der Befragten sagen jedoch nichts über die Erreichung der Ziele der Projektmethode aus. Ebenso nicht darüber, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um die Projektarbeit sinnvoll einsetzen und erfolgreich durchführen zu können. Dennoch geben die Ergebnisse aus Sicht der Lehrer und der Schüler Aufschluss darüber, warum die Projektmethode so selten im Unterricht verwirklicht wird, obwohl es so heftig propagiert und als wichtigste Methode zur Förderung von Demokratie und Fortschritt angesehen wird.
Aufgrund von größeren Freiräumen, die der Projektunterricht bietet, befürchten Lehrer, dass sich die Unruhe in der Klasse erhöht sowie die Kontrolle der Schüler erschwert wird. Außerdem vermuten sie, dass geringere Durchschaubarkeit und höherer Zeitaufwand die Motivation und das kognitive Wachstum eher verringern anstatt erhöht, vor allem bei leistungsschwächeren Schülern.
Von den Schülern wird der Projektunterricht weniger als Chance angesehen. Sie sind eher unzufrieden mit der mangelnden Systematik und Struktur des Projektlernens und der mangelnden Orientierung und Hilfestellung des Lehrers. Um dem zusätzlich verlangten Einsatz an Energie, Zeit und Phantasie für das Projekt zu entgehen, weichen die Schüler aus, drücken sich oder schließen sich Mitschülern einfach nur an.