Situation der Landwirtschaft
Die Situation der Landwirtschaft in den Alpen ist von vielen Faktoren abhängig. Dazu gehören hauptsächlich natürliche Kräfte und menschliche Eingriffe, die interagieren. Zu den natürliche Kräfte gehören die Höhenzonierung wichtiger Klimafaktoren, das geologische Substrat und die vorwiegend für das Aussehen der Landschaft zuständigen Auswirkungen des Reliefs. All diese Kräfte und Faktoren beeinflussen im alpinen Raum die Fauna, Flora und das Ökosystem des Gebirges. Weiterer natürlicher, externer Faktor ist in der heutigen Zeit der Klimawandel, der vor allem in höheren Regionen des alpinen Raums eine Bedeutung hat; nicht nur im Zusammenhang mit dem Wintersport(tourismus). Die menschlichen Aktivitäten nehmen ebenfalss massiven Einfluss auf Gestalt des Raumes und die innere Entwicklung in ihm. In diesem Fall soll besonders auf die Auswirkungen im Bereich der Landwirtschaft eingegangen werden. Dabei geht es nicht nur um die Landnutzung, sondern beispielsweise auch auf die Auswirkungen der heute niedrigen Geburtenrate. Die angesprochenen Kräfte und Faktoren und die durch sie ausgelösten und ablaufenden Prozesse sind nicht statisch, sondern dynamisch. Die Dynamik werläuft dabei auf verschiedenen räumlichen und zeitlichen Skalen (vgl. Tappeiner et. al. 2007, S.23).
Die Abbildung (Quelle: Tappeiner et. al. 2007, S.24) zeigt die Veränderungen, die die alpine Landschaft im Laufe des letzten Jahrhunderts geprägt haben. Entscheidend dabei war das Ende der Agrargesellschaft in den 1960er Jahren. Diese Zeit beinhaltete sowohl das Ende der traditionellen Nutzung, als auch den Beginn demographischer Veränderungen. Und das nach einer Tausende von Jahren währenden Land- und Forstwirtschaft im Alpenraum. Der durch das Ende der Agrargesellschaft eingetretene Wandel bezog sich dabei auf neue Nutzungsformen, wobei die Landnutzungskonzentration auf den produktivsten Flächen (Gunstlagen) lag, während Ungunstlagen (meist dezentrale Höhenlagen) extensiviert oder brach liegen gelassen wurden (vgl. Tappeiner et. al. 2007, S.24). Bestand der traditionelle Alpenraum in frühester Zeit aus Grasland, lichten Wäldern, Äckern und vereinzelten Siedlungen, änderte sich dies zum Einen durch die neuen Nutzungsformen (zum Beispiel Intensivkulturen, Windparks zur Energiegewinung) in der Landwirtschaft und zum Anderen durch verstärkte Freizeitnutzung, Verstädterung und Siedlungsausdehnung.
Landnutzungsentwicklung in den Alpen - Ulla Trampert / pixelio.de
Wie Tabelle (Quelle: Tappeiner et. al. 2007, S.25) zeigt, waren im Jahr 2000 etwa 45 % der Alpen von Wald bedeckt. Agrarflächen umfassten knapp 18 % des Alpenraumes, dabei hauptsächlich in den Tal- und Mittelgebirgslagen. Eine ebenso große Fläche entfiel auf natürliches und naturnahes Grasland, welches auch die Bergmähder (für die Beweidung ungeeignete steile Berghänge im Hochgebirge, die zur Gewinnung von Heu für das Vieh dienen) und Weiden beinhaltete.
„Es zeigt sich also, dass die Land- und Forstwirtschaft nach wie vor eine große Flächenverantwortung innehat und deutliche Spuren in der Landwirtschaft des Alpenraumes hinterlässt.“ ( Tappeiner et. al. 2007, S.24)
Agrarstrukturen im Alpenraum
Der Alpenraum und speziell seine Agrarstrukturen lassen sich nach „insgesamt 43 […] alpenweiten Indikatoren zum Naturraum, der Sozioökonomie und der Agrarökonomie auf Gemeindeebene“ ( Tappeiner et. al. 2007, S.23) kategorisieren und in insgesamt acht Agrarstrukturregionen zusammenfassen. Diese sind in der Abbildung (Quelle: eigene Bearbeitung nach Tappeiner et. al. 2007, S.29) abgebildet und werden nachfolgend erläutert.
Die Arbeitsintensive Intensivkulturregion (1) wird bestimmt durch ein mildes Klima und begünstigt so den Anbau von Intensivkulturen wie Obst, Gemüse, Wein und Blumen. Die Betriebe weisen eine geringe durchschnittliche Größe auf. Die Region mit ihren speziellen Anbaukulturen außerdem eine hohe Produktivität, sowie Arbeitsintensivität. Diese Faktoren führen zu einer eringen Anzahl an aufgegebenen Höfen und einem stabilen, gleichbleibenden hohen Anteil an genutzter landwirtschaftlicher Fläche, im Bezug auf die gesamte Fläche der Region. Insgesamt ist die komplette Situation dieser Intensivkulturregion sehr stabil (vgl. Tappeiner et. al. 2007, S.27).
Die Arbeitsextensive Ackerbauregion (2) ist vor allem gekennzeichnet durch den Ackerbau (mit über 61 % Anteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche). Hinzu kommen Dauerkulturen, wie beispielsweise Äpfel, Hopfen oder Nüsse. Die Region liegt in mäßigen Höhenlagen und die genutzten Flächen vorwiegend in Gunstlagen geringerer Hangneigungen und geringerer Reliefenergie. Arbeitsextensiv ist die Bewirtschaftung dieser Flächentypen, da nur 0,2 Arbeitskräfte pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche notwendig sind. Entgegen der Arbeitsintensiven Intensivkulturregion ist die Betriebsgröße in dieser Region überdurchschnittlich hoch, ebenso wie der Anteil der aufgegebene Höfe (vgl. Tappeiner et. al. 2007, S.27).
Die dritte Agrarstrukturregion wird als Grünlandwirtschaftsregion (3) bezeichnet. Sie ist wie auch die Arbeitsintensive Intensivkulturregion ein stabile Agrarregion, vor allem aufgrund eines ausgeglichenen Wanderungssaldos, bei dem die Abwanderugen durch die Zuwanderungen aufgefangen werden können, sowie durch einen sehr geringe Wert an Hofaufgaben. Landwirtschaftlich hat sich hier die Viehwirtschaft spezialisiert. Ein weiterer wirtschaftlicher Faktor, der zur Stabilität der Region beiträgt, ist die Inegration des Fremdenverkehrs. Im Zuge der Veränderungen nach dem Ende der Agrargesellschaft war bemerkenswert rascher Übergang von Haupterwerbs- zu Nebenerwerbsbetrieben zu verzeichnen (vgl. Tappeiner et. al. 2007, S.27).
Region vier umfasst Kleinstrukturierte Grünlandbetriebe (4). Auch in dieser betrieblichen Form besteht ein hoher Aufwand und eine hohe Arbeitsintensität. In diesem Fall ist diese allerdings ein Zeichen mangelnder Alternativen; während sie in der erstgenannten Region auf die aufwändigen Intensivkulturen zurückzuführen ist, welche außerdem im Gegensatz zur Grünlandwirtschaft weitaus mehr Profit einbringen. Auch deshalb verzeichnet die Region vier einen stetig steigenden Anteil an brachgeleten Flächen. Die Betriebe selbst weisen ein hohes Drchschnittsalter der Betriebsinhaber auf, sowie einen extrem hohen Anteil von Betrieben mit weniger als fünf Hektar an landwirtschaftlicher Nutzfläche (vgl. Tappeiner et. al. 2007, S.29).
Die als Landwirtschaftliches Rückzugsgebiet (5) bezeichnete Region wird, wie der Name schon vermuten lässt, bestimmt durch eine landschaftliche Fläche, aus der sich die Landwirtschaft weitestgehend zurückgezogen hat. Sie weist daher einen mit 72 % sehr hohen Anteil an brach gelegen landwirtschaftlichen Nutzflächen auf. Gründe dafür sind unter anderem die hohe Reliefenergie der Region und außerdem eine sehr kleine Betriebsstruktur, mit der wirtschaftliches Handeln besonders in solchen Ungunstlagen schwer ist (vgl. Tappeiner et. al. 2007, S.29).
Der höchste Faktor an aufgegeben Höfen ist in der Strukturbereinigten Haupterwerbsregion (6) zu finden. Allerdings steht dies nicht in Zusammenhang mit einem hohen Anteil an brach gelegter landwirtschaftlicher Nutzfläche. Ein Grund für diese Entwicklung liegt in der Konzentration auf intensiv bewirtschaftete Haupterwerbsbetriebe, deren Anteil genutzter Flächen darauf hin vergrößert wurde. Die Höfe, die aufgegeben wurden, waren demnach hauptsächliche ehemalige Nebenerwerbsbetriebe. Diese Region weicht sowohl in ihrer Struktur, als auch in ihrer Dynamik von den anderen Regionen ab. Wie die Karte auch zeigt beinhaltet diese Region überwiegend Betriebe, die von den agrarpolitischen Maßnahmen der Schweiz betroffen waren, beziehungsweise davon profitierten. Die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft in diesen Teilen zeigt die Zunahme von „Großvieheinheiten (GVE7ha) bei einem Niveau von 1,5 GVE und der Anteil von über 80 % an spezialisierten Weideviehbetrieben.“ ( Tappeiner et. al. 2007, S.29f)
Die Alpine Normalregion (7) kann als eine Region bezeichnet werden, die sich auf dem Weg in die Nebenerwerbslandwirtschaft befindet. Diese Entwicklung wird unterstrichen durch die Zunahme der Nebenerwerbsbetriebe von fast 20 % im vergangenen Jahrzehnt. Dabei liegt außerdem der Wert der Erwerbspersonen in der Landwirtschaft unterdurchschnittlich niedrig. Er weißt nur einen Anteil von 4,1 % auf. Durch die Entwicklung hin zu ebenerwerbsbetrieben konnte die Hofaufgabequote sehr moderat gehalten werden. Der Tourismus spielt in dieser Region auch eine Rolle, allerdings nur untergeordnet und mit einem Wert von 0,5 Betten pro Einwohner (vgl. Tappeiner et. al. 2007, S.30).
Die letzte agrarstrukturell eingefasste Region ist die der Großbetrieblichen Rindtierhaltung (8). Die landwirtschaftlich genutzten Flächen weisen einen hohen Anteil am Gemeindegebiet auf. Sie liegen hier in den Gunstlagen, was eine moderate Höhenlage, sowie eine nur geringe Hangneigung bedeutet. Der Anteil der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung liegt mit 11 % sehr hoch. Gar 55 % der Betriebe in dieser Region weisen eine landwirtschaftliche Nutzfläche von über zehn Hektar auf, womit sie im Alpenraum als Großbetrieb gelten. Charakteristisch für die Betriebsstruktur ist außerdem, das sie in der Regel von jungen Betriebsinhabern geführt werden, die im Haupterwerb dort tätig sind. „Mit über 84 % spezialisierter Weideviehbetriebe zeigt sich diesbezüglich die stärkste Spezialisierung aller Strukturtypen.“ ( Tappeiner et. al. 2007, S.30)
Strukturwandel in der alpinen Landwirtschaft
Der Strukturwandel innerhalb der Landwirtschaft vollzieht sich in ganz Europa und dabei auch im Alpenraum, wo er stellenweise besonders deutlich zu spüren ist. Dabei geht es vor allem um den Aspekt der Abnahme der landwirtschaftlichen Betriebe. Dies wurde auch schon bei der Einteilung verschiedener Teilbereiche in agrarstrukturelle Regionen (siehe Punkt 3.2) deutlich, als zu sehen war, dass verschiedene Regionen mal mehr und mal weniger stark von Hofaufgaben betroffen sind.
Die Abbildung (Quelle: Tappeiner et. al. 2007, S.26) zeigt eine über den gesamten Alpenraum heterogen verlaufende Entwicklung der Abnahme landwirtschaftlicher Betriebe im Zeitraum von 20 Jahren. Während in Deutschland und Österreich rund ein Viertel der Betriebe geschlossen wurden, waren es im gleichen Zeitraum in Frankreich und Slowenien fast beziehungsweise mehr als die Hälfte. Die Schweiz liegt bei ungefähr einem Drittel und damit noch unter dem Durchschnitt des Alpenraums. Italien mit etwas mehr als 40 % knapp darüber.
Gründe für diese Entwicklung gibt es zahlreiche. Hier sollen im Folgenden an drei beispielhaften Faktoren die Ursachen für die Abnahme der landwirtschaftlichen Betriebe gezeigt werden. Dazu gehören die durchschnittliche landwirtschaftliche Nutzfläche der Betriebe, der Anteil der Nebenerwerbsbetriebe, sowie das Alter der Betriebsinhaber/ -innen, wobei dort außerdem die Frage einer nach einer gesicherten Betriebsnachfolge eine Rolle spielt (vgl. Tappeiner et. al. 2007, S.25).
Bei dem Faktor der durchschnittlichen landwirtschaftlichen Nutzfläche zeigt sich, dass die jeweiligen Betriebsgrößen sehr unterschiedlich räumlich und über den gesamten Alpenraum verteilt sind. Dabei findet man in Italien und Slowenien vor allem kleinbetriebliche und stark zersplitterte Strukturen. Dem entgegen weisen alle anderen Alpenländer weitaus großflächigere Betriebe auf. Die meisten Betriebe mit einem großen Anteil an landwirtschaftlicher Nutzfläche findet man in Zentralösterreich und südlichen Teil der französischen Alpenregion.Eine weitere Unterscheidung kann zwischen dem germanischen und dem romanischen Landschaftstyp gemacht werden. Der germanische Landwirtschaftstyp ist vor allem gekennzeichnet durch die Ausführung von Viehwirtschaft in großen Betriebesgrößen, bei geringer Parzellierung der Flächen und der Weitervererbung im Anerbenrecht, was auch dazu führt, dass die Flächen geschlossen erhalten bleiben. Dem entgegen verschreibt sich der germanische Lanwirtschaftstyp vorwiegend dem Anbau von Intensivkulturen, sowie dem Ackerbau. Dies ist auch begründet durch die Lage in wärmeren und trockeneren Gebieten der Alpen. Die Betriebsgröße ist eher kleiner und die Parzellierung sehr hoch, was auch mit der dort ausgeübten Erbform der Realteilung zusammenhängt, bei der die Flächen unter den Erben gerecht aufgeteilt wird (vgl. Tappeiner et. al. 2007, S.225f).
Die Abbildung (Quelle: Tappeiner et. al. 2007, S.28) zeigt den Anteil der Nebenerwerbsbetriebe und es wird deutlich, dass es, wenn man den gesamten Alpenraum betrachtet, durchaus heterogen ist. Den niedrigsten Anteil an Nebenerwerbsbetrieben, somit den höchsten Anteil an Haupterwerbsbetrieben, weist die Schweiz auf. Wie in Punkt 3.2 bereits erwähnt liegt dies an den agrapolitischen Maßnahmen der Schweiz, die durch eine Agrarstrukturreform die Landwirtschaft in Richtung Vollerwerb gelenkt hat. Auffallend, dass mehr als die Hälfte aller Betreibe in vielen Teilen der Alpen im Nebenerwerb geführt werden (vgl. Tappeiner et. al. 2007, S.26). Auch dies entspricht nicht mehr der allgemeinen Assoziationen, die man mit der Landwirtschaft in den Alpen bisweilen noch hatte. Die Gebiete, die zu den Regionen gehören, die die höchsten Anteile an Nebenerwerbsbetrieben aufweisen, liegen vor allem im nordöstlichen Italien, dem Westen Österreichs (vor allem in Tirol), sowie in Zentral- und Südösterreich. Das deutsche Alpenvorland bewegt sich im Durchschnitt bei einem Anteil von 55 bis 68 %.
Der dritte und letzte vorgestellte Faktor, der die Abnahme der landwirtschaftlichen Betriebe beeinflusst, ist das Alter der Betriebsinhaber und Betriebsinhaberinnen. Abbildung 7 stellt den Anteil der Inhaber /-innen dar, die zu diesem Zeitpunkt älter als 45 Jahre. Hinzu kommt die Frage, ob diese Betriebe bereits ihre Nachfolge geklärt haben, beziehungsweise ob Nachwuchs vorhanden ist, der möglicherweise den Hof weiterführt. Zunächst einmal zeigt sich, dass vor allem in Slowenien, Nord- und Nord-West-Italien, sowie in weiten Teilen der französischen Alpen weit mehr als die Hälfte aller landwirtschaftlichen Betriebe von Personen geführt werden, die älter als 45 Jahre sind. Da diese außerdem hohe Quoten fehlender Nachfolger aufweisen, werden „sich weite Teile der italienischen, slowenischen und Teile der französischen Alpen in absehbarer Zeit in einer prekären Lage befinden.“ ( Tappeiner et. al. 2007, S.25) Hinzu kommt, dass diese Regionen bereits heute überdurchschnittlich hohe Hofaufgabequoten aufweisen. In weiten Teilen der Alpenländer des germanischen Landwirtschaftstyp hingegen sieht es, was die demographischen Strukturen betrifft, weitaus besser aus. Dies gitl vor allem für die bayrischen Alpen- und Voralpengebiete.