Weizen wurde im Mittelalter nicht nur in Europa angebaut. Weitere Anbaugebiete für Weizen gab es in China, Iran, Indien und sogar in Japan. In Asien, Ausnahme der Iran, wurde der Weizen aber nicht zum Brotbacken verwendet. Er diente mehr als eine Beilage und Grundlage für die Nudelherstellung.
In Europa wurde der Weizen hauptsächlich zum Brotbacken verwendet. Zunächst wurde dafür der Dinkel bzw. Spelweizen angebaut. Der fand später als Viehfutter Verwendung in den Niederlanden und dem heutigen Belgien.
Die Bauern säten neben Weizen hauptsächlich Hirse und Gerste aus. Später folgte der Roggen in der Aussaat. Die Gerste diente zunächst als Viehfutter. Das Getreide gab es aber Anfang des 15. Jahrhunderts nicht im Überfluss. Die Menschen aßen in dieser Zeit mehr Hülsenfrüchte und Produkte aus Buchweizen als aus Getreide.
Weizen-Saat
Die Bauern dieser Zeit betrieben ihre Äcker in dieser Epoche nach der Methode der Zwei- bzw. Dreifelder-Wirtschaft. Der Weizen konnte dabei nur zwei Mal hintereinander auf einem Feld ausgesät werden. Dann musste das Feld zunächst brach liegen. Damit die nächste Ernte ertragreich werden konnte, wurde die Brache mehrfach gepflügt und gedüngt. Die Bauern in Frankreich und England pflügten den Acker bis zu vier Mal.
Die Düngung der Weizenfelder wurde dabei streng vom Gutsherrn bzw. Bauern überwacht. Zur Düngung benutzte man den Dung der Tiere. Menschliche Fäkalien wurden dafür nicht verwendet. So kam der Viehwirtschaft beim Weizenanbau eine große Bedeutung zu. Um der steigenden Nachfrage nach Weizen nachzukommen, benötigte man für die Düngung mehr Vieh. In vielen Regionen Europas gab es aber nicht so viele Viehweideflächen. Ab dem 16. Jahrhundert wurde deshalb auf einem Teil der brach liegenden Felder Futterpflanzen für das Vieh angebaut. Der Boden gewann dadurch Nährstoffe, die der folgenden Weizenaussaat nützlich waren.
Weizenernte
Der Weizenanbau war schwierig und zunächst nicht so ertragreich. Zahlen über den Ertrag aus der Zeit vom 15. – 18. Jahrhundert lassen vermuten, dass das Saatgut durchschnittlich den vierfachen Ertrag brachte. Es gibt aber auch Belege, dass Bauern bis zum Achtfachen des Saatgutes ernten konnten. Der Ernteertrag hing dabei vom Ackerland, dem Klima und der Anbaumethode ab.
Mit dem Anwachsen der Bevölkerung wuchs auch die Nachfrage nach Weizen. Die anwachsenden Städte förderten die Ausweitung des Ackerbaus. Dafür mussten Sümpfe und Feuchtgebiete trockengelegt und Wälder abgeholzt werden. Der Ertrag pro ausgesäten Saatkorn blieb aber zunächst gleich gering. Erst mit dem ausgeweiteten Anbau von Futterpflanzen für das Vieh sollten die Äcker ertragreicher werden. Daher konnte die Viehzucht ausgeweitet werden. Der dabei anfallende Dung diente dann der Düngung.
Die Städte in Europa waren stets bemüht, sich aus dem Umland zu versorgen. Die Lieferwege waren daher kurz, und man konnte die Anbaugebiete dadurch besser kontrollieren. Die Bauern der Umgebung wurden dabei gezwungen, die Ernten in der nächsten Stadt zu verkaufen. Für den Ankauf waren Kaufleute zuständig, die den Getreidehandel oft zu einem Monopol entwickelten. Für die Vorsorge bauten die Städte große Getreidespeicher, um vor Versorgungsengpässen geschützt zu sein.
Handel mit Weizen
Einige europäische Regionen erwirtschafteten beim Weizenanbau Überschüsse, die sie dann exportierten. So importierten italienische Städte bereits im 14. Jahrhundert Getreide aus Nordeuropa und Byzanz. Die Getreidehändler nutzten für den Transport die großen Flüsse Europas. Einzelne Städte entwickelten daher zu Zentren des Getreidehandels.
Das wechselnde Klima sorgte in den Jahrhunderten dafür, dass sich die Richtungen des Getreidehandels öfters änderten. Im 16. Jahrhundert war Nordeuropa (Schweden, Baltikum) einer der Hauptlieferanten für Weizen und anderes Getreide. Polen wurde im 18. Jahrhundert ein bedeutender Weizenexporteur.
Wie in der Antike waren Nordafrika, Sardinien und Sizilien Anbaugebiete für Weizen und anderes Getreide. Ab 1700 drängte England im Weizenhandel vor. Später folgten auch die englischen Kolonien in Nordamerika im Weizenhandel und exportierten Getreide nach Europa. Das Osmanenreich gehörte auch zu den bedeutenden Exportnationen in dieser Zeit.
Russland gehörte im 18. Jahrhundert zu den großen Weizenexporteuren. Im 18. Jahrhundert wurde der Weizen auch in Nord- und Südamerika heimisch. Im 19. Jahrhundert folgten auch Australien und Südafrika als Hauptanbaugebiete für Weizen.
Zunächst handelten einzelne Kaufleute mit Weizen und fanden durch geschicktes Handeln ihr Auskommen. Im Verhältnis zu den landeseigenen Weizen-Erträgen spielte der Export noch eine untergeordnete Rolle im Handel. Im 18. Jahrhundert entwickelten sich Handelsorganisationen, die die steigende Nachfrage nach Getreide zum lukrativen Handel nutzten.
Auch die Staaten waren im Getreidehandel tätig. Für die Versorgung ihrer Heere wurden große Mengen Getreide benötigt. Frankreich verstaatlichte während des 18. Jahrhunderts den Getreidehandel. Das staatliche Handelsmonopol delegierte den Handel weiter an ausgewählte Zwischenhändler und Aufkäufer. Diese verstanden es, den Marktpreis für Getreide für ihre Interessen einzusetzen. Die dabei auftretenden Missstände sollten u.a. zur Französischen Revolution führen.
Weizen als Nahrungsmittel
Mit der Zeit änderten sich auch die Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung. Seit dem 16. Jahrhundert nahm der Anteil der Getreideprodukte an der täglichen Ernährung drastisch zu. Schließlich betrug der Anteil von Getreideerzeugnissen an der täglichen Kalorienaufnahme über 50 Prozent.
Auch bei den wohlhabenden Schichten betrug dieser Anteil mehr als 50 Prozent, wobei zu beachten ist, dass die Produkte eine weitaus bessere Qualität hatten. Der Rest der Bevölkerung aß Getreideprodukte in Form von einfachen Brot und Brei.
Die Getreidepreise fielen in dieser Epoche, so dass die Menschen aus den sozialen Unterschichten überwiegend Brot aßen. Aus der Zeit kurz vor der Französischen Revolution wird berichtet, dass französische Bauern bis zu drei Pfund Brot pro Tag aßen, wenn sie es sich leisten konnten.
Die Abhängigkeiten vom Weizen und anderem Getreide war deshalb hoch. Missernten und Preisspekulationen führten immer wieder zu Hungerepedemien, die teilweise durch Zuteilung staatlicher Reserven gemildert werden konnten. Stieg der Weizenpreis, wichen die Menschen auf billigere Getreidesorten aus, um ihren Kalorienbedarf zu decken.
Das Backen von Brot wurde nicht nur den Bäckern überlassen. Die Bauern brachten ihr gebackenes Brot auf die Märkte er nahegelegenen Städte. Auch die Bürgerfamilien buken Brot und verkauften es auf den Märkten. Zahlen aus dem Venedig des 17. Jahrhunderts belegen, dass die städtischen Bäcker nur die Hälfte des täglichen Brotbedarfs produzierten. Die andere Hälfte stammte aus privaten Haushalten.
Dieser lukrative Markt rief immer wieder Begehrlichkeiten hervor. Bekannt ist ein Fall in Genua aus dem 17. Jahrhundert, in dem das private Brotbacken verboten werden sollte. Ein Verband von Händlern wollte sich das Monopol für das Brotbacken erwerben, scheiterte aber am Widerstand der Bürger, die steigende Preise befürchteten.
Mit dem Ende des 18. Jahrhunderts ging die Tradition des privaten Brotbackens merklich zurück.
Literatur:
Fernand Braudel: Sozialgeschichte des 15. – 18. Jahrhunderts. Bd
München: Kindler
1. Der Alltag. 1990