Betrachtet man sich die gesamte Anlage des vom japanischen Architekten 1979-1980 gebauten „Haus Koshino“, bekommt man einen ersten Eindruck von körperlicher Präsenz der Gebäudeteile und starken Betonmauern, die Grenzen zu setzen scheinen.
Mehr dazu: Analyse der Architektur von Tadao Ando
Das Haus steht in Ashiya bei Kobe (Japan), einer modernen Stadt, auf einem bewaldeten, abschüssigen Grundstück und passt deshalb aufgrund der geometrischen Formen auf den ersten Blick nicht wirklich in die Landschaft. Das Gebäude setzt sich aus mehreren Teilen zusammen, die bis auf die frei stehenden Mauern miteinander verbunden sind. Hauptgebäude sind zwei quaderförmige unterschiedlich lange Kästen, die durch einen 4 Jahre später errichteten fächerförmigen Bau ergänzt wurden. Die Quader sind durch einen unterirdischen Gang miteinander verbunden. Oberhalb führt eine in der Mitte liegende Treppe zum Eingang des etwas tiefer liegenden, flachen Gebäudes, was im Gegensatz zum größeren nur ein Stockwerk besitzt.
Tadao Ando – Haus Koshino
Alle Gebäudeteile sind teilweise in die Erde versenkt, sodass es fast scheint, als seien sie „mit der Natur gewachsen“ und natürlich entstanden.
Wer das Haus Koshino betreten, bzw. besichtigen will, startet von einer kleinen, runden Plattform aus, die sich etwa auf Straßenniveau befindet. Eine kleine Treppe führt den Besucher regelrecht zum rechteckigen, schmucklosen Eingang des großen Quaders.
Spätestens hier wird das Material des gesamten Bauwerks erkennbar, grauer, glatter Sichtbeton, in einem wiederkehrenden Muster unterteilt, dem Tatamimatten-Raster (nähere Informationen dazu in: „Die Architektur Tadao Andos. Ideal und Konzept eines modernen Ausnahmearchitekten“).
Den Eingang im Inneren bildet eine längliche, rechteckige Eingangstür aus Glas, die zusammen mit einem nebenstehenden, etwas größeren Glasfenster einen ersten Blick in das Innere des Quaders erlaubt. Dieser beinhaltet einen zweistöckigen Bereich, in dem sich unter anderem das Schlafzimmer befindet und einen durchgehend hohen Bereich mit Küche und Wohnzimmer. Auch im Inneren sind die Wände ungeschmückt, das Raster der Tatamimatten ist zu sehen und alleine die Wärme unterscheidet die Mauern von denen im Freien. Allerdings ist das Raster der Tatamimatten bei den Außenwänden fast immer gleichmäßig, kaum eine Matte scheint abgeschnitten oder geteilt. Dies steht im Kontrast zum Inneren, hier kommt es vor, dass auch einmal nur eine halbe Platte am Ende der Wand sitzt.
Im Wohnzimmer vermitteln die farblosen, hohen und glatten Wände ein Gefühl von Ruhe, gleichzeitig aber auch von Leere. Lediglich zwei breite Fenster fangen zwar eine Menge Tageslicht ein, begrenzen aber den Blick hinaus in die Natur. Der Besucher oder Bewohner soll sich damit einerseits von der Umwelt ausgeschlossen, andererseits aber in die Natur eingebunden fühlen und „zu sich selbst finden“. Die Wände wirken durch das von den schmalen Lichtschlitzen an der Decke einfallende Licht nicht gerade kalt, rau und hart, sondern bekommen eine sinnliche Bedeutung und erwecken den Eindruck von weichen Kissen oder Wolken. Durch den angeschlossenen Korridor gelangt man zu 8 gleich großen Räumen, 6 Gästezimmern und 2 Tatamiräumen. Dies lässt darauf schließen, dass das Haupthaus für den Besitzer und der Anbau für Gäste gedacht ist, denn ursprünglich war das Gebäude als Ferienhaus konzipiert worden. Jeder der kleinen Räume wird von einer Seite durch eine eigene „Lichtlodgia“ beleuchtet und bekommt eine fast mystische Bedeutung, ähnlich wie bei den Mönchszellen im Kloster „Dame-de-la-Tourette“ des berühmten Architekten Le Corbusier. Ando selbst gibt an, von Architekten wie Le Corbusier oder Mies van der Rohe beeinflusst zu sein, möchte aber die Architektur in seinem Sinne interpretieren und umsetzen, weshalb in seinen Gebäuden viele neue Züge erkennbar sind. Einer dieser Züge ist am Haus Koshino besonders gut zu sehen: Die Schlichtheit der Perfektion, die sich durch den fächerförmigen Anbau äußert, der das Gebäude in sich perfekt abschließt.