Definition
Unter einer Phobie versteht man ein beeinträchtigendes, angstvermitteltes Vermeidungsverhalten, das in keinem Zusammenhang zu der Gefahr steht, die von dem gemiedenen Gegenstand oder der gemiedenen Situation ausgeht und das die Betroffenen auch als grundlos erkenne. Die Betroffenen leiden stark darunter und sind in ihrem sozialen oder beruflichen Leben aufgrund der Angst beeinträchtigt. Die Gegenstände oder Situationen, vor denen sich Menschen fürchten, werden von den in einer bestimmten Kultur vorherrschenden Überzeugungen beeinflusst.
Arten
Spezifische Phobien:
Spezifische Phobien sind unbegründete Ängste, die durch spezifische Gegenstände oder Situationen bzw. deren Antizipation ausgelöst werden. Sie werden nach ihren Ursachen unterteilt:
- Blut – Spritzen – Verletzungen
- Situationen (z.B. Flugzeuge, Aufzüge, geschlossene Räume)
- Tiere (z.B. Schlangen, Spinnen)
- Umwelt (z.B. Höhen, Wasser)
Soziale Phobien:
Unter einer sozialen Phobie versteht man anhaltende, irrationale Angstzustände, die im Allgemeinen an die Anwesenheit anderer Menschen gebunden sind. Soziale Phobien können extrem hemmend sein. Die Betroffenen versuchen, eine bestimmte Situation zu vermeiden, in der sie sich kritisch beobachtet fühlen, ihre Angst verraten oder sich bloßstellen könnten.
- Generalisierte soziale Phobie: tritt in einem früheren Lebensalter auf, häufig mit anderen Störungen wie Depression und Alkoholmissbrauch und die Beeinträchtigung ist stärker
- Spezifische soziale Phobie
- Epidemiologie: sie weisen eine hohe Komorbiditätsrate mit anderen Störungen und treten oft in Verbindung mit einer generalisierten Angststörung, spezifischen Phobien, Panikstörung, vermeidend- selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung uns affektiven Störungen auf
- Beginnen meistens im Jugendalter, wenn das soziale Bewusstsein und soziale Interaktionen mit anderen mehr Bedeutung im Beben gewinnen
Behandlung & Therapie
Psychoanalytische Theorien:
Psychoanalytiker legen ihren Schwerpunkt auf den Inhalt der Phobie. Sie messen dem Gegenstand der Phobie als Symbol einer wichtigen unbewussten Furcht große Bedeutung bei. Der Inhalt der Phobie besitzt demnach Symbolcharakter.
Abwehr verdrängter Triebimpulse. Nach Freuds Auffassung sind Phobien eine Abwehr der Angst vor verdrängten Triebimpulsen aus dem Es. Diese Angst wird von der gefürchteten Triebregung auf einen Gegenstand oder eine Situation übertragen, die damit in symbolischen Zusammenhang stehen. Diese Gegenstände oder Situationen werden dann zu phobischen Reizen. Vermeidet der Betroffene diese Reize, vermeidet er damit auch die Auseinandersetzung mit den verdrängten Konflikten. Die Phobie stellt für das Ich eine Möglichkeit dar, einer Konfrontation mit dem wirklichen Problem, einem verdrängten Kindheitskonflikt, aus dem Wege zu gehen.
Nach Arietis Auffassung handelt es sich um die Verdrängung eines bestimmten zwischenmenschlichen Problems aus der Kindheit. Er ging davon aus, dass Phobiker als Kinder in aller Unschuld darauf vertrauten, dass die Menschen in ihrer Umgebung sie vor jeder Gefahr schützen würden. Später begannen sie dann zu fürchten, dass auf Erwachsene – in der Regel die Eltern – kein Verlass ist. Die sie mit diesem Misstrauen bzw. dieser generalisierten Angst vor anderen nicht leben konnten, wandelten sie sie in Furcht vor unpersönlichen Objekten oder Situationen um, damit sie Menschen wieder vertrauen konnten.
Psychoanalytische Therapie:
Bei allen psychoanalytisch orientierten Behandlungen von Phobien wird generell versucht, die verdrängten Konflikte aufzudecken, die hinter der extremen Angst und Vermeidung vermutet werden. Unmittelbare Versuche, phobisches Vermeiden zu reduzieren, sind kontraindiziert, da die Phobie den Betroffenen vermutlich vor der Konfrontation mit verdrängten und allzu schmerzhaften Konflikten schützt. Zur Aufhebung der Verdrängung achtet der Psychoanalytiker sorgfältig darauf, ob sich in den freien Assoziationen oder im manifesten Inhalt von Träumen des Patienten Hinweise oder unterdrückte Ursprünge der Phobie finden. Der moderne Ich-Analytiker ist wenig an lebensgeschichtlichen Einsichten interessiert. Zwar hält er die Phobie immer noch für die Folge eines früheren Problems, er wird jedoch seine Patienten eher auffordern, sich der Phobie zu stellen. Viele Therapeuten haben auch erkannt, wie wichtig die Konfrontation mit dem Angstauslöser ist.
Lerntheoretische Ansätze:
Vermeidungskonditionierung. Verhaltenstheoretiker befassen sich mit der Funktion der Phobie. Nach dem wichtigsten verhaltensorientierten Erklärungsansätzen sind Phobien gelernte Vermeidungsreaktionen. An der Entstehung von Phobien sind zwei Arten des Lernens beteiligt:
- Durch klassische Konditionierung kann jemand lernen, einen neutralen (konditionierten) Reiz zu fürchten, wenn dieser an ein schmerzhaftes oder erschreckendes Ereignis gekoppelt ist.
- Durch operante Konditionierung lernt er dann , diese konditionierte Angst zu reduzieren, indem er den konditionierten Reiz flieht oder meidet.
Ein verhaltenstheoretisches Modell geht davon aus, dass unangemessenes Verhalten oder fehlende soziale Fertigkeiten Ursache sozialer Angst sind. Nach dieser Auffassung haben die Betroffenen nicht gelernt, sich so zu verhalten, dass sie sich unter anderen wohl fühlen, oder sie verstoßen wiederholt gegen gesellschaftliche Umgangsformen, sind ungeschickt und sozial unbeholfen und werden oft von ihrer Umgebung kritisiert, jedoch ist dieses Modell äthiologisch wenig bedeutsam.
Verhaltenstherapeutische Ansätze:
- Systematische Desensibilisierung. Verhaltenstherapeutisch behandelt man Phobien mittels systematischer Desensibilisierung. Dabei stellt sich der Phobiker in entspannten Zustand eine Reihe zunehmend ängstigender Szenen vor. Die Konfrontation mit den realen, Angst auslösenden Situationen hat eine entscheidende Bedeutung. Dies geschieht dann entweder während der in-sensu-Desensibilisierung oder unter völligem Verzicht auf dieses Verfahren als direkte Konfrontation.
- Training sozialer Kompetenzen. Das Erlernen sozialer Fertigkeiten kann Menschen mit sozialen Phobien, die nicht wissen, was sie in bestimmten sozialen Situationen tun oder sagen sollen, helfen. Manche Verhaltenstherapeuten ermuntern ihre Patienten dazu, in Rollenspielen mit dem Therapeuten oder in kleinen Therapiegruppen Verhaltensweisen zu üben, die sie in sozialen Situationen anwenden können. Bei diesem Vorgehen wird die ängstliche Person, auch wenn bei ihr keine Defizite in den sozialen Fertigkeiten vorliegen, der Angst auslösenden Situation ausgesetzt, so dass die Angst durch tatsächliche Konfrontation gelöscht wird.
- Modelllernen und Reizüberflutung. Beim Modelllernen wird ebenfalls die Konfrontation mit gefürchteten Situationen eingesetzt. Bei einer Reizüberflutung (Flooding) werden die Patienten dem Auslöser ihrer Phobie in voller stärke ausgesetzt. Es wird oft erst dann verwendet, wenn die allmähliche Konfrontation keine Besserung erbracht hat.
- Operante Verfahren. Verhaltentherapeuten, die operanten Techniken den Vorzug geben, ignorieren die Angst, die hinter den Phobien vermutet wird. Sie richten ihr Augenwerk statt dessen auf das offene Vermeiden des gefürchtete Objekts und auf das Annäherungsverhalten, das an seine Stelle trete muss. Der Patient wird zunehmend mit dem gefürchteten Objekt konfrontiert und für jede noch so kleine Annäherung belohnt. Die Konfrontation gehört unweigerlich zu jeder operanten Verhaltensformung von Annäherungsverhalten. Durch Desensibilisierung versuchen sie, die Angst zu reduzieren und ermutigen den Patienten durch operante Verhaltensformung zur Annäherung an das gewünschte Verhalten. Zu Beginn der Behandlung, wenn Angst und Vermeiden stark ausgeprägt sind, konzentriert sich der Therapeut auf die Angstreaktion durch Entspannungstraining und allmähliche Konfrontation mit der gefürchteten Situation. Mit abnehmender Angst ist er dann immer mehr in der Lage, sich dem, wovor er Angst hatte, anzunähern. Dieses offene Verhalten kann dann sowohl von Familie und Freunden als auch vom Therapeuten positiv verstärkt werden, während Vermeidung missbilligt bzw. ignoriert wird.