Tagebucheintrag: Ottfried Preußler – Krabat

Tagebucheintrag zum Thema: Ottfried Preußler – Krabat

Liebes Tagebuch,

heute, den ersten Januar, haben wir Tonda beerdigt. Ohne Kreuz oder Grabstein, nur wir elf. Der Meister war nicht dabei. Er hat sich seit gestern nicht mehr blicken lassen.

Alle sind sehr schnell gegangen, hier beim Wüsten Plan will wohl niemand lange bleiben. Ich bin bei Tondas Grab geblieben und wollte für ihn beten. Es war total merkwürdig, ich konnte es einfach nicht aufsagen. Es war als wäre es aus meiner Erinnerung gelöscht.

Keiner will mehr über Tonda reden, so als hätte es ihn nie gegeben. Ich werde ihn nie vergessen und weiß nicht wie ich darüber hinweg kommen soll. Das komische Verhalten der anderen Mühlknappen hatte schon bei Einbruch des Winters angefangen. Sie waren alle total gereizt und flippten bei allen Kleinigkeiten sofort aus. Als ich Tonda auf das Verhalten der anderen ansprach, meinte er, sie hätten Angst. Wovor wollte er mir aber nicht sagen. Er verschwieg mir in letzter Zeit viel.

Wollte er nicht, dass ich etwas erfuhr oder durfte er es mir nicht sagen? Warum darf ich nicht alle Geheimnisse über die Geschehnisse hier auf der Mühle Bescheid wissen? Tonda war aber sonst der selbe geblieben, so ruhig und gelassen wie vorher.

Ich fragte ihn natürlich, ob er Angst hätte, doch als er antwortete, er hätte mehr Angst als ich, wurde ich unruhig. Denn wenn Tonda Angst hatte musste etwas schlimmes bevorstehen.

Abends gingen wir alle früh ins Bett. In der Nacht wachte ich gegen zwölf Uhr auf. Die anderen Gesellen waren, soweit ich das sehen konnte, auch wach. Die Kerze brannte. Es war so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Doch plötzlich hatte jemand in der Mühle laut aufgeschrien. Ich zuckte zusammen. Verzweifelt versuchte ich aus der Gesindestube herauszugelangen, um nachzusehen, wer da in größter Not geschrien hatte.

Doch die Tür war verriegelt. Ich konnte nicht herraus und es lief mir einkalt den Rücken herunter. Jemand musste doch raus um nachzusehen. Ich bekam Panikanfälle und beruhigte mich erst wieder, als Juro mir die Hand auf die Schulter legte und sagte, ich solle wieder zu
Bett gehen.

Danach dachte ich, alle würden auf mich gucken, doch sie schauten an mir vorbei auf Tondas Pritsche. Tondas Pritsche war leer, wo war er? Juro meinte, ich sollte nicht heulen, denn mit heulen macht man nichts ungeschehen. Wussten sie, dass Tonda tot war? Aber wie?

Am nächsten Morgen fanden wir Tonda am Ende der Treppe. Ich war sehr verzweifelt, denn ich hatte soeben meinen besten Freund verloren. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass er tot ist. Die anderen schienen nicht überrascht zu sein, Michal meinte er hätte sich den Hals gebrochen. Meiner Meinung nach war er auf der Treppe fehlgetreten, Michal war sich unsicher und sagte “kann sein.“

Andrusch und Staschko begleiteten mich nach oben in die Gesindestube, den unten würden wir nur im Weg herumstehen. Als ich auf meiner Pritsche eine Weile saß, stellte ich mir die Frage, ob der Meister mit dem Tod von Tonda zu tun hätte? Ist diese Frage berrechtigt, warum sonst wussten alle anderen schon vorher bescheid?

Tschüß Tagebuch, sicherlich werde ich mich öfter an dich wenden, jetzt wo Tonda weg ist.

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