Im Folgenden gilt es zu klären, womit sich die Responsa des Rabbi Meir b. Baruch von Rothenburg beschäftigten.
Ursprünglich gehörte zu den wichtigsten Aufgaben eines Rabbiners die genaue Kenntnis der vielen und komplizierten rituellen Bestimmungen des Talmud – hier beispielsweise zu nennen die Fragen ob man im Notfall auch Bier als Ersatz für den rituellen Wein verwenden dürfe oder wie man den Dachboden einer Synagoge verwenden dürfe etc. Neun Zehntel der Entscheidungen des Rabbiners betreffen nicht den Ritus, sondern Fragen des bürgerlichen Rechts; rituell-liturgische Probleme waren aufgrund der sich verbreitenden Kenntnis des Talmud weniger häufig zu lösen. Das Zusammenleben der Juden in ihren Gemeinden und das Verhältnis zu den umliegend wohnenden Christen und christlichen Gemeinschaften wurde im Laufe der Zeit immer problematischer so dass der Rabbiner zunehmend zu einer Autorität auf allen Gebieten des individuellen und gemeindlichen Rechts der Juden wurde. Beschäftigungsgegenstände wurden nunmehr geschäftliche Transaktionen, Grundstücksrecht, Erbfragen, Heiratsverträge, Partnerschaften, Pfandrecht, Probleme der Gemeindeverwaltung und Gemeindeeigentum und das Recht der Niederlassung und der Besteuerung.
Rabbi Meir wird somit nicht nur der geistliche Führer der deutschen Juden sondern gewissermaßen auch eine weltliche Autorität. Deutlich wird das explizit in der Tatsache das seine Korrespondenten, meist auch bedeutende Rabbiner sich nicht ziemen ihn mit höchsten Ehrennahmen wie „Vater aller Rabbis“ oder „Licht des Exils“ zu betiteln. Rabbi Meir b. Baruch von Rothenburg vereinte wie viele andere Rabbis in seiner Gemeinde das Amt des Rechtsanwaltes, Staatsanwaltes und Richters. Es gilt: wie der Talmud seine Autorität über alle Gebiete des Lebens wirft so kann kein Rabbi sich einer Anfrage nicht annehmen. Der Rabbiner ist der Schiedsrichter der bürgerlichen Ordnung und seine Entscheidungen sind in der Regel ein unanfechtbares Gesetz.
Quelle:
Schnurrer, Ludwig: Rabbi Meir Ben Baruch von Rothenburg; in: Pfeiffer, Gerhard: Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte,Reihe VII A:Fränkische Lebensbilder 3. Band,Stegaurach 1967, S. 41.
Levinger, Israel Meir: Rabbi Meir von Rothenburg als Halachist und geistiger Führer; in: Merz, Hilde: Zur Geschichte der Mittelalterlichen Jüdischen Gemeinde in Rothenburg ob der der Tauber. Rabbi Meir Ben Baruch von Rothenburg zum Gedenken an seinen 700. Todestag, Rothenburg 1993, S.217-219 und Schnurrer, Ludwig: Rabbi Meir Ben Baruch von Rothenburg; in: Pfeiffer, Gerhard: Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte,Reihe VII A:Fränkische Lebensbilder 3. Band,Stegaurach 1967,S. 41-42.