Die jüdische Responsenliteratur wird im Hebräischen durch den Begriff „Scheelot u-Teschuvot“ („Fragen und Antworten“) bezeichnet. Inhalte sind die schriftlichen Anfragen, welche entweder von einem jüdischen Gerichtshof oder einer Einzelperson an eine halachische Autorität gerichtet wurden und den darauf folgenden verfertigten Rechtsgutachten, den so genannten Responsa, dieser Autoriät. Den Umfang dieses rabbinischen Genres erreicht kein anderes; Rabbiner widmeten dem Verfassen dieser Rechtstexte mehr Zeit als dem Verfassen von Gebeten, Katechismen oder dergleichen. Responsa stellen die Hauptquelle für das jüdische Rechtswesen dar, denn Urteile von jüdischen Gerichtshöfen sind nur in wenigen Büchern, so genannte Pinkesim der Gerichtshöfe, erhalten.
Das Einholen eines solchen Responsums war dann notwendig, wenn die örtlichen Richter und Gelehrten sich nicht in der Lage sahen, einen Rechtsstreit zu entscheiden oder es vorzogen die gegebenenfalls schwere Last der Entscheidung mit einer anderen halachischen Autorität zu teilen. Nach Formulierung der Anfrage mit einer Darstellung des betreffenden Falles wurde selbige an einen berühmten Gelehrten, wie auch Rabbi Meir b. Baruch einer gewesen ist, gesandt. Entweder waren die Anfragenden Vertreter einer Gemeinde oder seltener auch Privatpersonen; die Anfragen selbst wurden mittels Boten überbracht. Wenn die Anfragen ihren Bestimmungsort erreichten, beantwortete der Gelehrte sie mit recht ausführlichen Gutachten, die mittels entsprechender Talmudstellen untermauert wurden. Zur endgültigen Entscheidung dann wurde der Fall an die jeweilige jüdische Gemeinde zurrückverwiesen – im Anschluss stand es der Gemeinde frei, das Gutachten zu verwerten oder zu verwerfen. Viele der Gemeinden kopierten sich auch die Responsa zwecks Verfügbarkeit als Grundsatzentscheidungen. Die Responsa erreichten die Stellung von „Fallrecht“ – obwohl keine Präzedenzfälle – und wurden peu a peu in die klassischen Rechtkodizes eingearbeitet.
Mattes, Barbara: Jüdisches Alltagsleben in einer mittelalterlichen Stadt. Responsa des R. Meir von Rothenburg, Berlin New York 2003, S. 31-35.