Satzinterne Großschreibung – Geschichte & Analyse

Die satzinterne Großschreibung ist eine Besonderheit des Deutschen. In anderen Sprachen wird alles (außer beispielsweise Eigennamen und Satzanfänge) klein geschrieben. Sie folgen der sog. gemäßigten Kleinschreibung (vgl. Günther/Nünke 2005: 4). Die Groß- und Kleinschreibung entsteht durch das Einsetzen von Majuskeln für Minuskeln am Wortanfang. Grundsätzlich bestehen alle Wörter aus Minuskeln, diese sind also immer vorausgesetzt (vgl. Stetter 1989: 300 f.).

Die Regeln der deutschen Groß- und Kleinschreibung sind relativ kompliziert, was zur Folge hat, dass die Fehlerquoten in diesem Bereich seit hunderten von Jahren sehr hoch sind. Die satzinterne Großschreibung ist deshalb sehr umstritten. Die hohe Fehleranzahl könnte daran liegen, dass die Großschreibung seit 350 Jahren vor allem auf die Wortarten bezogen gelehrt wird. Dies führt zu Verständnisproblemen, da diese Erklärung nicht in allen Fällen genügt. Allein der Begriff „Substantivgroßschreibung“ ist fehlerhaft, da die satzinterne Großschreibung syntaktische Funktionen kennzeichnet und nicht etwa Wortarten, wie vielfach angenommen. Sie dient vor allem dazu, Texte zu strukturieren und somit das Lesen zu vereinfachen (vgl. Günther/Nünke 2005: 9 f.).

Im folgenden ersten Kapitel sollen die Regeln der satzinternen Großschreibung des Deutschen näher erläutert werden. Anschließend wird die Geschichte der Groß- und Kleinschreibung und ihre Entwicklung dargelegt, um zum Schluss einen Vergleich zu anderen Sprachen zu ziehen, die sich vom Deutschen unterscheiden.

Die satzinterne Großschreibung im Deutschen

Die satzinterne Großschreibung der deutschen Sprache wird seit Jahrhunderten diskutiert (vgl. Bredel/Günther 2006: 209), zumal es sie nur im Deutschen gibt. Welchen Sinn und Zweck erfüllt sie, falls sie überhaupt einen hat? Erleichtert sie das Lesen oder wird dies durch die Substantivgroßschreibung vielleicht sogar noch erschwert? – Fragen, die in solchen Diskussionen geklärt werden sollen. Die Argumente für die satzinterne Großschreibung beziehen sich hierbei vor allem auf das Lesen, welches – wenn es sich nicht einfach nur um Gewöhnung handelt – durch die Strukturierung erleichtert wird. Argumente gegen die satzinterne Großschreibung haben das Schreiben im Blick, welches in gemäßigter Kleinschreibung unkomplizierter wäre (vgl. Günther/Nünke 2005: 45).

Zunächst soll betrachtet werden, welche Wörter großgeschrieben werden, welche Regeln also zu kennen sind, um die satzinterne Großschreibung zu beherrschen. Bezieht man sich hierbei auf die Wortarten, so handelt es sich um die Substantive. (vgl. Bredel/Günther 2006: 209). Jedoch kann man nicht einfach der Regel folgen, deklinierbare Wörter, an deren Artikel man außerdem das Genus erkennt, würden immer großgeschrieben. Es gibt auch Ausnahmen. Substantivierungen anderer Wortarten sowie De-Substantivierungen von Substantiven müssen ebenso beachtet werden. Die Zuordnung mit Hilfe der Wortarten wirft also Schwierigkeiten, Probleme und auch Lücken auf.

Eine andere Möglichkeit die Großschreibung des Deutschen zu erklären, ist deshalb die Unterscheidung verbaler und nominaler Gruppen. Hierbei werden nicht die lexikalischen Aspekte, sondern die syntaktische Funktionalität eines Ausdrucks berücksichtigt. So folgen die Kerne nominaler Gruppen, also deren rechter Rand, den Regeln der Großschreibung, sofern sie mit einem Adjektivattribut erweiterbar sind (vgl. Günther/Nünke 2005: 11). Wann immer ein Ausdruck ein Attribut binden kann, schreibt man ihn groß. Die Grundregeln für die Großschreibung heißen deshalb nach Günther und Nünke: 1. „Wenn eine Nominalgruppe attributiv erweitert werden kann, dann wird ihr Kern großgeschrieben“ und 2. „Der Kern ist dabei in der Regel das letzte Element einer Nominalgruppe“ (s. Günther/Nünke 2005: 11). Der Vorteil von der Betrachtung der syntaktischen Funktion von Ausdrücken ist, dass die Handhabung von Substantivierungen und De-Substantivierungen vereinfacht wird. Geübt werden kann dies vor allem mit sog. „Treppengedichten“ (vgl. Günther/Nünke 2005: 13 ff.).

An dieser Regelung wird jedoch kritisiert, dass auch Wörter großgeschrieben werden, die keine funktionale Rektion aufweisen (z.B. „Eis laufen“, s. Bredel/Günther 2006: 211). Zudem kann das alleinige Auftreten von Artikeln ein Kriterium sein, welches die Großschreibung voraussetzt (z.B. „im Weiteren“, s. Bredel/Günther 2006: 211).

Die satzinterne Großschreibung bringt aber auch Vorteile mit sich. Das Deutsche ist sehr beweglich, die einzelnen Satzteile sind sehr flexibel und können, je nach Bedeutungsrelevanz, hervorgehoben werden. Hierfür dient die Großschreibung als Hilfestellung, weil schnell erkannt werden kann, um was für ein Wort es sich jeweils handelt. Somit sind beim Lesen weniger Fixationen und Regressionen nötig. Die Sätze werden gegliedert und grammatische Hinweise werden gegeben. Fast jedes Wort kann durch eine Konversion substantiviert werden. Da andere Sprachen meist nicht so flexibel im Satzbau sind, ist hier eine Strukturierung durch Majuskeln nicht notwendig. Allerdings wird der variable Satzbau anders herum auch nur durch die satzinterne Großschreibung ermöglicht. Beide bedingen sich also gegenseitig. Eine Abschaffung der satzinternen Großschreibung würde demnach eventuell zu Einschränkungen der Syntax führen (vgl. Günther/Nünke 2005: 44 f.).

Dies wäre ein erster Ansatz dafür, die satzinterne Großschreibung zu befürworten. Auch wenn man die Entwicklung der Schrift betrachtet, wie sie im Folgenden dargestellt wird, können Argumente für die Schreibung mit Majuskeln gefunden werden, da sie es u.a. ermöglichten, dass mehr Menschen Texte lesen konnten.

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